Schneller Wiederaufbau nach der Flutkatastrophe in Südostasien ist ein Gebot der Stunde, doch sollte die lokale Bevölkerung stärker einbezogen werden. Die „Österreich-Dörfer“ in der Krisenregion kosten außerdem ein Vielfaches vergleichbarer einheimischer Bauten.
Marktgemeinde Zwentendorf“ wird ein Haus in Habaraduwa an der Südküste von Sri Lanka heißen, „Treuhand Union Steuerberatung“ ein anderes, „BÖG-Kulinarisches Österreich“ ein drittes. Denn die Tageszeitung „Kurier“ verspricht jedem Spender, der ein komplettes Haus in seinem „Österreich-Dorf“ finanziert, dass dieses dessen Namen tragen wird. Kleinere Spender werden nur in der Online-Ausgabe des „Kurier“ genannt. Ab 100 Euro kann man seinen Namen immerhin in der Print-Ausgabe finden. 10.000 Euro veranschlagte die Tageszeitung für ein Haus für Tsunami-Opfer. Die Familien, die dereinst in einem Häuschen namens „Prochaska&Partner“ oder „Friesenbiller&Imass“ wohnen werden, könnten ein neues Zuhause allerdings für 1.500 oder höchstens 2.000 Euro aufbauen. Davon gehen ExpertInnen von lokalen NGOs in Sri Lanka aus.
Heinz Hödl, Geschäftsführer der Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz (KOO) und seit vielen Jahren mit Entwicklungszusammenarbeit befasst, hält vom Konzept der „Österreich-Dörfer“ überhaupt nicht viel. Er warnt davor, dass „zu schnell zu viel gebaut wird, ohne die Bevölkerung angemessen einzubeziehen“. Organisationen, die seit Jahren mit Basisbewegungen vor Ort zusammenarbeiten, planen ihre Wiederaufbauhilfe integral und setzen keinen Schritt, ohne die wirklichen Bedürfnisse der Bevölkerung auszuloten. Allerdings hat auch Hödl in den letzten Wochen festgestellt, dass sich an der ursprünglichen Konzeption des „Kurier“ langsam etwas ändere.
Das Bauen von ganzen Dörfern gehört zu den beliebtesten Projekten, die bisher bei der von Ex-Minister Ernst Strasser geleiteten Koordinierungsstelle für Wiederaufbau gemeldet wurden. Das Land Kärnten plant ein „Kärnten-Dorf“ in der indonesischen Konfliktprovinz Aceh, Oberösterreich sucht noch ein passendes Dorf in Sri Lanka, Niederösterreich will sich im „Kurier-Dorf“ engagieren.
Die österreichische Tageszeitung zeigte von Anfang an wilden Aktionismus: Zwei Rotkreuz-Experten und ein Bausachverständiger wurden in der zweiten Jännerwoche als „Aufklärungsteam“ nach Sri Lanka geschickt, um den günstigsten Standort für ein „Österreich-Dorf“ auszukundschaften. Der ursprünglich gehegte Plan, in oder nahe der Hafenstadt Trincomalee an der Nordostküste zu bauen, wurde schnell verworfen. Die Aufbauhelfer hatten zu große Angst vor der Malaria. Weder das Österreichische Rote Kreuz noch das Bundesheer wollten ihre Leute den Tropenkrankheiten aussetzen. Bald wurde man in Habaraduwa, unweit der malerischen niederländischen Kolonialstadt Galle an der Südküste fündig. Die Gegend scheint sicher genug: Jedes Jahr verbringen Zigtausende Urlauber dort ihre Strandurlaube oder absolvieren Ayurveda-Kuren. Die vom Tsunami verwüstete Ortschaft liegt bequeme 120 Kilometer von der Hauptstadt Colombo entfernt.
Dennoch verstand es der „Kurier“, diese Reise als gefährliche Expedition darzustellen: „So rasch wie möglich will das Team in die Region, wo das Österreich-Dorf errichtet werden kann, vorstoßen. Auf Grund der Minengefahr kann nur am Tag gefahren werden.“ Minengefahr im Süden? Liegen die Kriegsgebiete nicht im Norden und Nordosten? Der „Kurier“ insistiert: „Entlang der verschlammten Küstenabschnitte besteht höchste Minengefahr. Und im Norden der Insel tobt, trotz Verwüstung, Elend und Seuchengefahr, zwischen Tamilen-Rebellen und Regierungstruppen ein erbitterter Bürgerkrieg.“ (Online-„Kurier“, 12. Jänner 2005) Offenbar hat es sich nicht bis in die Redaktion herumgesprochen, dass seit drei Jahren Waffenstillstand herrscht.
Häuser bauen will auch das Land Burgenland. Dort hat man offenbar keine Angst vor Tropenkrankheiten, denn das Projekt, das den Bau eines „Begegnungszentrums für die verfeindeten ethnischen Gruppierungen“ einschließt, wird in der Stadt Trincomalee an der Nordostküste geplant. Es ist vorgesehen, in enger Zusammenarbeit mit lokalen NGOs je eine singhalesische, eine tamilische und eine muslimische Siedlung aufzubauen.
Zehn der von der Bundesregierung versprochenen 50 Millionen sollen ja von den Ländern aufgebracht werden, sechs von den Gemeinden und nur die restlichen 34 Millionen vom Bund. Größtenteils sind das vorhandene Gelder, die einfach zweckgewidmet werden. Soweit bisher bekannt will nur Oberösterreich eigene Mittel aufstellen. Wiens Bürgermeister Michael Häupl versucht, Sponsoren bei der Wirtschaft zu gewinnen. Niederöstereich greift für seine Tsunami-Projekte in den Landesfonds für Entwicklungszusammenarbeit, und Vorarlberg hofft, seine Zusage aus Mitteln von humanitären Organisationen decken zu können.
Das Strasser-Büro hat, wie der Pressesprecher meldet, „keinerlei Befugnisse im Hinblick auf die Finanzgebarung“ der 50 Millionen Euro. Er verweist auf die Homepage des Bundeskanzlers, wo ein Link zur Tsunami-Hilfe zu finden ist. Dort werden zwölf Bereiche für den Wiederaufbau aufgelistet: Von „Schulkooperation“ und „Nationale Versöhnung“ bis zur „Bausteinaktion Austrian Villages“ und Tourismus. Auf der Homepage findet man auch die bisher von Ländern und Gemeinden vorgelegten Projektvorschläge.
Die von den entwicklungspolitischen Organisationen geforderte Entschuldung von Ländern wie Indonesien und Sri Lanka ist offenbar noch kein Thema. Österreich trifft solche Entscheidungen gewöhnlich im Pariser Club, wo die größten Gläubigernationen ihre Politik absprechen. Allein Indonesien steht bei Österreich mit fast 1,5 Milliarden Euro in der Kreide. Diese Schulden gehen auf Beteiligungen österreichischer Firmen an industriellen Großprojekten der Suharto-Diktatur zurück, etwa die Asian Pulp&Paper Papierfabrik, die so überdimensioniert ist, dass sie mit legalen Holzlieferungen gar nicht versorgt werden kann und seit Jahren die illegale Schlägerung im Tropenwald beschleunigt. Der zuständige Beamte im Finanzministerium gibt dazu keine Auskunft und verweist auf Pressesprecher Matthias Winkler. Der war aber trotz mehrmaligen Anfragen für das Südwind-Magazin nicht zu sprechen; die angekündigten Rückrufe fanden nicht statt.
Ralf Leonhard ist freier Mitarbeiter des Südwind-Magazins und reiste genau am Tag der Seebeben-Katastrophe nach Sri Lanka (vgl. aus der Redaktion S.4).