Zurück auf der politischen Agenda

Von Silva Herrmann · · 2007/07

Neuerdings reden alle wieder übers Klima. Klimaschutz ist positiv für die Wirtschaft. Doch die Betonung marktwirtschaftlicher Argumente kann leicht zu Scheinlösungen führen, meint Silva Herrmann.

Auf dem Umweltgipfel von Rio unterschrieben 1992 über 150 Staaten die Klimarahmenkonvention, mit dem Ziel, eine gefährliche menschengemachte Störung des Klimasystems zu verhindern. 1997 wurde das Kyoto-Protokoll verabschiedet. Trotz des mageren Reduktionsziels von fünf Prozent verbanden sich viele Hoffnungen mit dem Protokoll, dessen Stärke die internationale Verbindlichkeit war. Bald wurde allerdings klar, dass diese wie die Einbindung der USA teuer erkauft war. Denn zum einen zogen die USA ihre Unterschrift unter das Protokoll wieder zurück, zum anderen vergrößerten die folgenden Klimakonferenzen die schon vorhandenen Schlupflöcher noch weiter. Erst 2005 trat das Kyoto-Protokoll tatsächlich in Kraft. 15 Jahre nach Rio und 10 Jahre nach Kyoto steigen die Treibhausgas-Emissionen weltweit immer noch mit erschreckendem Tempo und erschreckender Quantität an.

Nach Jahren ohne markante Fortschritte ist der Klimaschutz zurück auf der politischen Agenda. Fundierte wissenschaftliche Berichte, ein verstärktes öffentliches Bewusstsein, aber auch die Sorge um schwindende Energieversorgungssicherheit sind dabei treibende Kräfte. Die politischen Player positionieren sich seit einiger Zeit für die anstehenden Verhandlungen. Denn bei der diesjährigen internationalen Klimakonferenz in Bali geht es um die Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen in den Industrieländern nach dem Auslaufen des Kyoto-Protokolls 2012 und die Frage, welche Beiträge die Schwellenländer leisten sollen.
Behandelt werden sollen aber auch der Stopp der Entwaldung und Konzepte, wie den besonders gefährdeten Ländern bei der Anpassung an den Klimawandel geholfen werden kann. Für einen Erfolg ist ein klares politisches Bekenntnis der EU und der USA, aber auch von Ländern wie China notwendig. Ein Teilerfolg konnte beim G8-Gipfel in Deutschland erzielt werden: Die G8-Staaten einigen sich darauf, bis 2009 das Post-2012-Abkommen im UN-Rahmen zu Ende zu verhandeln. Vor allem die USA und Russland weigerten sich aber weiter, sich zu konkreten Zielen zu verpflichten.

Klar ist aber: Die Zeit drängt. Es gilt, die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu verhindern und eine Trendwende bei den Treibhausgas-Emissionen zu erreichen. Es sind vor allem die Industrieländer, darunter auch der EU-Klimasünder Österreich, die durch den rücksichtslosen Verbrauch von Öl, Kohle und Gas den Klimawandel verursachen. Es leiden aber vor allem die Länder des Südens unter den Folgen des Klimawandels. Dennoch werden wirksame Klimaschutzmaßnahmen nicht umgesetzt. Dieses Verhalten ist zynisch und menschenverachtend, weil hier angebliche Wirtschaftsinteressen höher bewertet werden als der Schutz von Menschenleben und der Erhalt von Naturlebensräumen.
Der ehemalige Weltbank-Ökonom Nicholas Stern bezeichnet in seinem Report die globale Klimaveränderung als das größte Marktversagen in der Geschichte. Mehr politische Regulierung durch die Staaten und internationalen Institutionen sind notwendig. Aller Voraussicht nach werden sich diese als positiv für die Wirtschaft erweisen. Denn Klimaschützer sind Gewinner, die vom starken Anreiz für den Umbau des Wirtschaftssystems hin zu mehr Effizienz und zur Entwicklung innovativer Technologielösungen profitieren. Im Gegensatz dazu können Umweltverschmutzung und Ineffizienz zur Verlangsamung des Wirtschaftswachstums führen, wie dies etwa in China geschieht. Nicht zuletzt diese wirtschaftlichen Argumente sind es, die Player wie die USA und China an den Verhandlungstisch bringen könnten.

Am Ende aber greifen diese marktwirtschaftlichen Argumente zu kurz. Denn wenn der Blick auf ökologische Zusammenhänge und soziale Bedingtheiten fehlt und Entscheidungen unter dem betriebswirtschaftlichen Blickwinkel getroffen werden, kann es zu äußerst problematischen Scheinlösungen kommen. Beispiele dafür sind Empfehlungen für den Ausbau der teuren und gefährlichen Atomkraft, aber auch für „End of Pipe“- Technologien wie den Ersatz von fossilen Treibstoffen durch Agrotreibstoffe wie Rapsdiesel oder Palmöl-Produkte. Diese führen nicht nur zum Verlust von Biodiversität und zur Regenwaldabholzung, sie sind auch nicht in der Lage, die notwendige Trendwende bei den Verkehrsemissionen zu schaffen. Stattdessen sinkt scheinbar der Druck zur Veränderung, am Ende führt eine solche Politik aber direkt in den Verkehrkollaps und Klima-GAU.
Wir brauchen einen tief greifenden Systemwandel. Umfassend verstandener Umweltschutz muss die zentrale Legitimation des Handelns in Wirtschaft und Gesellschaft sein. Der Stern-Report und der neue IPCC-Report haben die Dringlichkeit für Taten gezeigt. Die Wissenschaft hat hier die Rolle des Mahners übernommen, die über Jahre hinweg die Umweltbewegung inne hatte. Deren neue Rolle sollte es sein, gemeinsam mit entwicklungspolitischen Organisationen vor Fehllösungen zu warnen und für die Umsetzung von tatsächlich nachhaltigem Klimaschutz entschieden zu streiten.

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