Kaffee ist ein anregender Begleiter durch den Tag. Ein Besuch bei den ProduzentInnen und ein Ausflug in die Praxis geben ihm Körper, Fülle und Aroma jenseits des Geschmacks.*
Auf engen und steilen Pfaden geht es bergauf. Links und rechts leuchten feuerrote Kirschen an sattgrünen Sträuchern – Kaffee. Dazwischen hohe Schattenbäume – das schützt die empfindlichen Arabica Hochlandsorten, die hier auf einer Höhe von über 1.000 Metern vortrefflich gedeihen, vor zu intensiver Sonneneinstrahlung. Der gut gelaunte Haufen, der sich – ausgerüstet mit noch leeren Körben – die Kaffeehaine hochkämpft, kommt trotzdem ins Schwitzen und wartet nur darauf, dass Anselmo endlich das Zeichen gibt: Es darf gepflückt werden. 20 ÖsterreicherInnen im Osten Guatemalas ernten Kaffee. Ein bisschen ist es wie Weinlese, sagen die einen, bei anderen werden Kindheitserinnerungen wach: Ribisel „brocken“ in Mutters Garten – und der Strauch will und will nicht leer werden. Der Versuch einer Einordnung in vertraute Erfahrung, tausende Kilometer von zuhause entfernt, und vielleicht auch Erleichterung, dass der Korb nicht voll, der Strauch nicht leer, der gefüllte Sack nicht auf dem Rücken zur Sammelstelle geschleppt werden und man selber nicht von dieser Ernte leben muss.
Bei der Verarbeitungsanlage in La Unión: Bruno Alvarez, Geschäftsführer der Kaffeebauernvereinigung CECAPRO, wird nicht müde zu erklären und zu zeigen. Die Kaffeekirschen müssen noch am Tag der Ernte weiter verarbeitet werden, deshalb hat die Organisation auch sieben lokale Anlagen gebaut. Für die wertvollen Arabica Hochlandsorten wird die Nassverarbeitung bevorzugt. Ohne Wasser geht hier gar nichts. Die Kirschen werden gewaschen, ein Gerät, der sogenannte „Entpulper“ trennt das Fruchtfleisch von den beiden Bohnen im Inneren der Kirschen. Im Fermentationsbecken löst sich der restliche Schleim. Von dort strömen die Bohnen eine Rinne entlang, werden gewaschen, geschwemmt und schließlich an der Sonne getrocknet. Noch sind sie von einer Pergamentschale umhüllt. Erst wenn diese entfernt ist, spricht man von Rohkaffee. Diesen letzten Arbeitsvorgang kann CECAPRO nicht selbst erledigen – die damit verbundene Investition in die nötigen Maschinen wäre für die Organisation zu hoch. Deshalb wird die Ware im guatemaltekischen Verarbeitungsbetrieb COEX exportfertig gemacht.
Als kleine Organisation mit rund 140 Mitgliedsfamilien konzentriert sich CECAPRO lieber auf das Machbare. Zum Beispiel auf den sorgsamen Umgang mit dem Schwemmwasser, das seit kurzem in verschiedenen Becken geklärt, gereinigt und wieder verwertet wird. Oder auf die Herstellung von biologischem Kompost. Als Beweis für die Fruchtbarkeit des Bodens gräbt Bruno zwei Hände voll Erde locker und hält den BesucherInnen das Ergebnis – gespickt mit fetten Regenwürmern – unter die Nase.
Die Hinwendung zum Bio-Anbau war eine wichtige Weichenstellung und wird seit 1995 konsequent verfolgt. Selbstverständlich war das keineswegs. Skepsis und Zweifel mussten überwunden werden und es brauchte – wie so oft – ein paar, die vormachten, dass es funktioniert und sich lohnt. 30 Prozent der Produktion ist heute umgestellt und bio-zertifiziert. Mittlerweile ist die Verpflichtung zum Bio-Anbau Aufnahmekriterium für neue Mitglieder.
Davon hätte man zu Beginn des „Abenteuers“ nicht zu träumen gewagt, erzählt Miriam, Brunos Frau. 1987 begannen rund 60 Familien sich zu organisieren – weil sich gemeinsam mehr bewegen lässt als allein, so ihre Überzeugung. Erste Kontakte wurden über einen Schweizer Entwicklungsarbeiter zur Firma EZA in Österreich hergestellt. Bevor der erste Container den langen Weg nach Europa antreten konnte, wurde ein Qualitätsverbesserungsplan ausgearbeitet und umgesetzt. „Den ersten Container Kaffee haben wir auf dem Basketballplatz der Gemeinde getrocknet“, beschreibt Miriam die Stunde Null. 1989 war es dann so weit. Der Export an die EZA wurde zum Schlüsselerlebnis für die Gruppe. Zum ersten Mal wurde ihr Produkt geschätzt und konnte zu einem sehr guten Preis unter Ausschaltung des Zwischenhandels verkauft werden.
Seither hat sich vieles verändert. Auch für Juan und América Escalante. Die beiden bewirtschaften einen kleinen Hof mit fünf Hektar Land und haben CECAPRO mitbegründet. Ein paar Hühner, zwei Kühe, eine kleine Schneckenzucht und ein Fischteich – damit lassen sich ein paar Quetzales zusätzlich verdienen. Auf ihrem Grund haben sie Mandarinen- und Orangenbäume, Mangos, Bananenstauden und Mais gepflanzt. Natürlich ist auch für sie Kaffee das wichtigste Produkt. Aber die Idee, die Produktion zu diversifizieren und so die einseitigen Abhängigkeiten zu verringern, haben die beiden wohl am konsequentesten von allen umgesetzt.
„Der Faire Handel hat Spuren hinterlassen – sowohl bei den einzelnen Familien, als auch innerhalb der Organisation. Die faire Bezahlung war dabei sehr wichtig“, sagt Bruno Alvarez. Die Menschen wohnen mehrheitlich in Ziegel- und nicht in Lehmhäusern, sie sind gesünder, weil sie sich besser ernähren können, der Schulbesuch der Kinder ist eine Selbstverständlichkeit – das ist der Unterschied zu früher. Die Verlässlichkeit der Kooperation mit stabilen Preisen schätzen die Bauernfamilien gerade in Zeiten mit extrem niedrigen Weltmarktpreisen wie in den letzten fünf Jahren. Günstige Kredite konnten vergeben werden, um Land anzukaufen, Jugendliche haben Stipendien für ihre Ausbildung erhalten. Derzeit entsteht ein neues Gebäude in La Unión – nichts Überdimensioniertes, denn an Prestigeobjekten hat bei CECAPRO keiner Interesse. Platz für ein Büro soll es dort geben, für einen Gesundheitsposten, ein kleines Café und ein Geschäft, in dem die Bauern ihre Produkte verkaufen können – eine Idee, die beim Besuch von Ab-Hof-Läden in Österreich gewachsen ist.
*)Die EZA organisiert alljährlich Reisen für MitarbeiterInnen von Weltläden zu Partnerorganisationen der EZA. 20 Personen haben 2004 an der Reise nach Guatemala teilgenommen. Die Eindrücke wurden auf Video dokumentiert, das unter dem Titel „Orte der Zuversicht“ in den Weltläden und bei EZA im Verleih erhältlich ist.
Andrea Reitinger ist Mitarbeiterin der EZA-Dritte Welt GmbH.