Zivile Hoffnungen

Von Benita Ferrero-Waldner / Leo Gabriel · · 2000/11

Die Zivilgesellschaft gilt vielen als Hoffnungsträgerin einer nachhaltigen Entwicklung. Wir stellten Außenministerin Benita Ferrero-Waldner und dem Lateinamerika-Experten und Aktivisten Leo Gabriel die Frage : Wie wichtig ist die Zivilgesellschaft für die Gestaltung der Entwicklungszusammenarbeit?

Aus meiner Sicht können wir Geberstaaten in der EZA nur dann erfolgreich sein, wenn in unseren Partnerländern die Rahmenbedingungen für zivile Gesellschaft als freie, mündige und vollwertige Teilnehmer in der gesellschaftlichen Entwicklung geschaffen werden.

Leider war und ist es auch heute noch nicht selbstverständlich, dass diese Rahmenbedingungen in unseren Partnerländern existieren. Dies sollte uns aber nicht dazu verleiten, zivile Gesellschaft in der EZA als Ausdruck der mitleids- und spendenfördernden Misere von Bürgern innerhalb korrupter, kriegerischer oder terroristischer Regimes zu instrumentalisieren, sondern sie als Garant für Impakt und Erfolg nachhaltiger Entwicklung zu fördern.

In dieser Situation muss die EZA der Geberstaaten darauf achten, dass in den Entwicklungsprogrammen immer ein an die politische Konjunktur angepasster „guter Mix“ zwischen Förderung staatlicher Rahmenbedingungen einerseits und transparenter gesellschaftlich, ökonomisch, ökologisch und politisch angepasster Entwicklungsprozesse andererseits stattfindet. In diesem Zusammenhang kann auch die EZA als ein System kommunizierender Gefäße (Staat – zivile Gesellschaft) betrachtet werden. Im Idealfall sollte jeder Staat in der Lage sein, diese Flüsse im Hinblick auf die vorhandenen Ressourcen so zu optimieren, dass die Entwicklung der zivilen Gesellschaft im Zentrum staatlicher Entwicklungspolitik steht.

Die Koordinationsbüros der ÖEZA haben die wichtige Aufgabe, die Leistungen des Partnerstaates zur Stärkung seiner eigenen zivilen Gesellschaft bis ins operative Detail zu beobachten und darauf aufbauend Entwicklungsprogramme zu gestalten. Dabei spielen wiederum Informationen und Einschätzungen diverser Vertreter der zivilen Gesellschaft, auch des Nordens, eine wichtige Rolle. Ich glaube, dass unsere NGOs noch mehr Anstrengungen unternehmen sollten, bei der Diskussion der Entwicklungsprogramme in den Partnerländern anwesend zu sein und sich verstärkt im Vorfeld der Umsetzung zu involvieren.

Der Rolle des Staates als praktisch einziger Akteur in der EZA ist vorbei, die zivile Gesellschaft hat ihn dabei teilweise ersetzt, die Rolle des Staates als Regulierer in der EZA steht erst am Beginn. Es liegt auf der Hand, dass auch in der EZA den Möglichkeiten beider je nach ihren Stärken Rechnung zu tragen ist.

Benita Ferrero-Waldner




„Es war einmal ein revolutionärer Begriff, der solange breit getreten wurde, bis er – zur Unkenntlichkeit verstümmelt – in die Polstertüren der Ministerien ebenso Eingang gefunden hat wie in die wohl behüteten Büros der Weltbank und der Vereinten Nationen…“ So etwa könnte die lange Geschichte von der Zivilgesellschaft beginnen (oder auch enden).

Nachdem es den MachtträgerInnen dieser Welt aber anscheinend nicht gelungen ist, diesen Begriff und damit auch die hinter ihm stehenden Kräfte und Allianzen durch Verweis auf dessen angebliche Unwissenschaftlichkeit umzubringen, haben sie ihn – insbesondere seit Seattle – in ihr staatstragendes Weltbild übernommen.

Seither wird die Zivilgesellschaft wie ein Kind gehätschelt, werden die NGOs von den nationalstaatlichen Bürokratien zwar angehört, aber keinesfalls in Entscheidungsprozesse einbezogen.

In der österreichischen Entwicklungspolitik etwa gibt es seit Jahren einen so genannten „entwicklungspolitischen Beirat“, der selten bis nie einberufen wird. Dieser Beirat dient nun der Ressortverantwortlichen als Feigenblatt dafür, dass die entwicklungspolitischen NGOs in Wirklichkeit überhaupt nichts zu reden haben, sondern am immer kürzeren und straffer gespannten Gängelband des Budgettropfs hängen bleiben. Währenddessen werden in den armen Ländern des Südens wie in Bolivien, Simbabwe oder Sri Lanka die CBOs (Community Based Organisations) weiterhin geknebelt, soferne sie es wagen, ihre politische Eigenständigkeit unter Beweis zu stellen.

Niemand geringerer als der Generalsekretär der Vereinten Nationen Kofi Annan hatte es bei der Eröffnung des Parallelforums Geneva 2000 anlässlich des Sozialgipfels auf den Punkt gebracht: „Die Zivilgesellschaft, meine Damen und Herren, das sind nicht nur die NGOs, sondern auch der private Sektor und die internationalen Konzerne, von denen die NGOs sehr viel lernen können.“

Was passiert aber, wenn wir von Shell in Nigeria oder von der als Entwicklungshilfe verkleideten österreichischen Exportförderung partout nichts lernen wollen? Oder wenn wir uns den Schrei der unterentwickelten Länder zu eigen machen und ihre sofortige Entschuldung fordern? Auf welcher Seite unsere für Entwicklungspolitik zuständige Aussenministerin zu dieser Frage beim Gipfel in Kairo gestanden ist, wissen wir ja inzwischen. Auch wenn es wie eine Tautologie klingt: die Mächtigen werden immer auf Seiten der Macht stehen, auch wenn sie mit Schalmeientönen von der Zivilgesellschaft reden.

Leo Gabriel

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