Ka-Tsching!
Die Werbebranche bombardiert Kinder und Jugendliche, weil das Geld bringt. Sie haben nicht nur eigene Kaufkraft, sondern auch maßgeblichen Einfluss auf die Kaufentscheidungen ihrer Eltern. In den USA geben Kinder und Jugendliche mehr als 300 Mrd. Dollar jährlich aus, die von ihnen beeinflussten Ausgaben ihrer Eltern summieren sich auf 1.800 Mrd. Dollar. Zwischen 1990 und 2000 verzehnfachten sich die Werbeaufwendungen für diese Zielgruppe.
Virtuelle Welten
Die Unmenge von Bildschirmunterhaltung und Bildschirmspielen hat das Spielen der Kinder verändert: Eigene Fantasie ist unwichtig, Fantasie wird stattdessen konsumiert, sagen Werbefachleute. Je komplexer die Computerspiele, desto weniger Kreativität ist nötig. Kinder und Jugendliche, die im Internet surfen oder Computerspiele spielen, geraten in einen Zustand des „Fließens“, in dem sie offen für Bilder und Botschaften sind, ganz zu schweigen davon, dass sie danach süchtig werden können. Durch diese Offenheit, sagt die Werbetheorie, sind sie empfänglicher für Werbung.
Kaufempfehlungen erreichen sie in unübersehbarer Vielfalt: vom Product Placement und Mini-Werbungen in Computerspielen (Pepsi und Red Bull) bis zu Websites, die aussehen, als ob sie von Jugendlichen gemacht worden wären, die über ihr Leben und ihre Freunde erzählen, tatsächlich aber auf subtile Art Produkte bewerben, und zum Internet-Hype: Agenten dringen in Chat-Rooms ein, preisen eine neue CD oder neue Sneakers in den höchsten Tönen und erzeugen eine weltweite Kaufmanie. Die Branche weiß, dass Kinder heute mehr denn je über das Web international kommunizieren und oft die selben Programme weltweit präsenter Fernsehsender (z.B. MTV) konsumieren; ein wenig Hype von der richtigen Sorte kann sofort entsprechende Trends auslösen.
Getränkt in der Werbeflut
Im Schnitt sieht ein Kind in Australien, Großbritannien oder in den USA zwischen 20.000 und 40.000 Werbungen pro Jahr. Kinder in den USA verbringen jedes Jahr 60 Prozent mehr Zeit vor dem Fernsehgerät als in der Schule. Viele Schulen in Nordamerika sind ohnehin von der Werbung unterwandert – von der zwangsweisen Konfrontation mit Werbung in „Nachrichten“-Programmen, die von der Branche gestaltet werden, bis zu Plakaten in Fahrradabstellräumen und Kantinen. In Australien sind Werbepräsentationen in Schulklassen erlaubt.
Werbeagenturen sind begierig, sich das Wissen von KinderpsychologInnen zunutze zu machen. Saatchi and Saatchi etwa organisierte eine weltweite Studie der „kindlichen Entwicklung“ mit KinderpsychologInnen, um Werbung „relevant für Kinder“ zu machen – also relevant für die Renditen.
Schon Babys können sich Logos merken. In einer US-Studie erkannten Dreijährige im Schnitt etwa hundert Logos. Kinder achten mehr auf Werbung im Fernsehen, selbst wenn sie nicht für Kinder gedacht ist. Bei gleicher Ausgesetztheit merken sie sich eine Marke dreimal besser als Erwachsene, und die Wahrscheinlichkeit, dass ihnen die Werbung Spaß gemacht hat, ist doppelt so hoch.
Marke = Identität
Werbefachleute glauben, dass der Wert, den der Zweck eines Produkts für Kinder in den 1980er Jahren noch hatte, in den 1990er Jahren vom Wert der Marke abgelöst wurde. Der Besitz eines Markenprodukts verspricht unmittelbare Akzeptanz und Bewunderung und damit sofortigen Erfolg. Psychologie spielt eine große Rolle – gilt es als „uncool“, wenn die Eltern nichts gegen ein Produkt haben, dann wird die Werbung bewusst ein skandalträchtiges Image schaffen. Es geht darum, starke Gefühle zu besetzen – Romantik, Rebellion, Angst, Zugehörigkeit, Macht usw.
Marken werden manchmal aufgebaut, indem das Produkt mit Spaß verknüpft wird – etwa mit der Begeisterung bei einem Skateboard-Event, den Hormonstürmen bei einer Schuldisco. Wenn sich Kinder für eine Marke begeistern und untereinander für sie Reklame machen können, umso besser. Oder man bezahlt beliebte Kinder für die Werbung – es gibt mehrere Agenturen, die darauf setzen. Laut einer internationalen Marketingstudie (die auch Länder wie Indien und Brasilien abdeckte) glaubt die Hälfte der 8 bis 14-Jährigen in Städten, ihre Identität werde von ihren Kleidungsmarken bestimmt. Auch wenn Eltern bereits Nein zu einer Marke gesagt haben, fragen sechs von zehn Kindern im Schnitt noch neunmal danach, ergab eine Studie des „Center for a New American Dream“.
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