Die Grenze ist keine Erfindung der Menschen an der Grenze, sondern eine der Zentralen“, schreibt der Salzburger Autor und Publizist Karl-Markus Gauß in seinem Buch „Das Europäische Alphabet“ unter dem Stichwort Grenzen.
Wie ein roter Faden zieht sich durch die Menschheitsgeschichte die Tendenz, Grenzen zu ziehen, der Versuch, sich abzugrenzen gegen Äußeres, potenziell Gefährliches, Bedrohliches. Und gleichzeitig das entgegen gesetzte Leitmotiv des Überschreitens von Grenzen, ausgerichtet auf ein Utopia, auf das Entdecken und Ausarbeiten neuer Zukunftsentwürfe. Letzteres, das Wagnis, etwas Neues zu denken, eingefahrene Bahnen zu verlassen, ist wohl der wichtigste Motor menschlicher, gesellschaftlicher Entwicklung.
Die Abgrenzung gegen Bedrohliches bezieht sich nicht nur auf einen wirklichen oder vermeintlichen Feind – die Grenze ist wahrscheinlich vorher schon im Kopf entstanden. Die Angst vor unbekannten psychischen Inhalten, die das Individuum gleichermaßen wie das Kollektiv befällt. Wie gut man diese Angst demagogisch instrumentalisieren kann, wissen die PolitikerInnen schon seit mindestens zwei Jahrtausenden: der Selbstwert definiert sich über den Ausschluss oder die Benachteiligung des Anderen.
Während wir einerseits in den Startlöchern einer globalen Weltbürgerschaft stehen, werden gleichzeitig die Tendenzen zum Abschotten, zum Ausschließen stärker. Dieser manichäische Dualismus zweier entgegen gesetzter Prinzipien wird die Entwicklung der Menschheit noch lange charakterisieren. Auch wenn die Ängste, die zum Grenzenziehen, zum Mauerbauen führen, durchaus ernst zu nehmen sind: Am Begriffspaar des Grenzenziehens und -überschreitens manifestiert sich die Gegensätzlichkeit von Rückständigkeit und Fortschritt, von Verknöcherung und Entwicklung so klar wie sonst kaum.
In den EU-Staaten wurde das freie Aufenthaltsrecht aller BürgerInnen bereits in nationales Recht umgesetzt. Bis Ende 2007 wird das ausgeweitete Schengenabkommen (SIS II) auch auf die neuen Mitgliedstaaten ausgedehnt.