Zahlenspiele

Von Irmard Kirchner · · 2008/05

Wie lange wird es sich Österreich noch leisten können, sich vor seiner globalen Verantwortung zu drücken?

Selten schafft es „Entwicklungshilfe“, wie die Entwicklungszusammenarbeit im Volksmund immer noch genannt wird, unter die Top-Meldungen in österreichischen Medien. So geschehen Mitte April. Da wurde Österreichs Plan bekannt, den Militär-Einsatz im Tschad in die offiziellen Entwicklungshilfeleistungen, die an die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) gemeldet werden, einzurechnen. Das ist zwar nicht verboten, „widerspreche aber krass dem Verständnis von Entwicklungszusammenarbeit und Humanitärer Hilfe“, kritisierte die AG Globale Verantwortung, der neu geschaffene Dachverband der entwicklungspolitischen und humanitär tätigen Nichtregierungsorganisationen absolut zu Recht. Weniger prominent berichtet wurde über die fast zeitgleich veröffentlichten neuesten Entwicklungshilfezahlen der OECD. Die Hilfsleistungen der Mitgliedsländer sind im Jahr 2007 gegenüber dem Vorjahr gesunken: in der EU von 0,41 Prozent auf 0,38 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE). In Österreich ist der Prozentsatz laut OECD-Statistik von 0,48 auf 0,49 Prozent des BNE gestiegen.
Die so genannten Geberländer haben es sich zur Gewohnheit gemacht, die Statistik mit allerlei Posten wie Flüchtlingsbetreuung, Studienplatzkosten für ausländische Studierende oder eben Militäreinsätze aufzublasen. Beliebteste Methode ist die Einrechnung von Entschuldungsmaßnahmen – de facto die Abschreibung von uneinbringlichen Forderungen aus der Vergangenheit, etwa gegenüber dem Irak.
Nimmt man die Entschuldung aus der Statistik heraus, ergibt sich ein neues Bild: OECD-weit ist die Entwicklungshilfe von 2006 auf 2007 leicht gestiegen. So auch hierzulande. Allerdings reduziert sich die Ziffer dramatisch. Österreich hat exklusive Entschuldung im Jahr 2007 0,24 % des BNE (gegenüber 0,23 % im Jahr 2006) geleistet. Nacddieser Rechnung liegt Österreich bei den EU-15 auf dem blamablen 12. Platz. Zahlenspielereien also und wenig „frisches“ Geld, mit dem man Entwicklungszusammenarbeit gestalten kann. Bis heute gibt es keinen verbindlichen Stufenplan, wie Österreich die nächsten EU-weit verbindlichen Ziele für Entwicklungshilfeleistungen (0,51 Prozent bis 2010 und 0,7 bis 2015) erreichen wird.

Szenenwechsel zu Österreichs Klimapolitik: Laut einem Rohbericht des Rechnungshofs verfehlt die Alpenrepublik die Klimaziele dramatisch: Der CO2-Ausstoß lag im Jahr 2006 32 Prozent über dem erhofften Wert. Was das mit der Entwicklungszusammenarbeit zu tun hat? Auch in diesem Bereich fehlt der politische Wille, setzt man auf Zahlenspiele, auf den Zukauf von Emissionszertifikaten, anstatt eine echte qualitative Änderung herbeizuführen.
Nahrungsmittel- und Energiepreise steigen exorbitant und haben bereits in Dutzenden Ländern der Welt heftige Unruhen und Krisen ausgelöst. So wie der Klimawandel sind diese Entwicklungen weitgehend von den reichen Ländern zu verantworten und treffen die ärmsten Länder am stärksten. Demnächst beginnen hierzulande wieder Budgetverhandlungen. Wie lange wird es sich Österreich noch leisten können, sich vor seiner globalen Verantwortung zu drücken?

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