Seit 25 Jahren ist Angola unabhängig. Zu feiern gibt es wenig, denn der grausame Bürgerkrieg dauert weiter an. SÜDWIND-Mitarbeiter Thomas Spielbüchler berichtet aus dem krisengeschüttelten Staat im Süden Afrikas.
Lepi II bietet neben relativem Schutz vor dem Bürgerkrieg auch die Chance zu einem Neuanfang. „Zusammen errichten die Menschen hier ihr neues Zuhause und wir unterstützen sie dabei. Wir helfen ihnen mit Nahrungsmitteln, Baumaterial und Saatgut zur zukünftigen Selbstversorgung“, umschreibt Maria die Arbeit des WFP in Lepi.
Wie es aussieht, werden die Leute rechtzeitig vor Einbruch der Regenzeit fertig. Dutzende Lehmhäuschen stehen in Reih und Glied. Nur wenigen fehlt noch das Strohdach. Zwischen den Häusern versuchen die Kinder, die noch nicht mitarbeiten müssen, möglichst oft fotografiert zu werden. Die Welt scheint – für angolanische
fferhältnisse – vielleicht bald in Ordnung zu sein in Lepi II.
Es wird Zeit“, drängt Maria. „Am Nachmittag will ich nicht mehr hier sein.“ Auf der Straße nach Huambo kann es später am Tag immer wieder zu Scharmützeln mit UNITA-Rebellen kommen. Huambo ist eine der bedeutendsten Städte im zentralen Hochland – dem traditionellen UNITA-Gebiet. Im Herbst 1999 erlebte Jonas Savimbi hier sein Waterloo. Nachdem seine Rebellen die Stadt monatelang belagerten, konnten die Regierungstruppen sie schließlich doch zurückdrängen. Die konventionelle Armee Savimbis wurde dabei weitgehend zerstört – ebenso wie Huambo während der Belagerung. Seither setzt die UNITA wieder auf den Guerilla-Krieg.
Am heftigsten umkämpft ist der Nordosten Angolas, das kriegswichtige Diamantengebiet. Hierher bin ich an Bord eines UN-Flugzeuges unterwegs – zusammen mit 17 Tonnen Getreide. Unser Ziel: Saurimo, die Provinzhauptstadt von Lunda Sul, circa 800 Kilometer östlich von Luanda.
Etwa 60.000 Menschen hat der Krieg bisher nach Saurimo vertrieben. Landesweit gibt es in Angola geschätzte 1,5 Millionen Binnenflüchtlinge. Die meisten von ihnen müssen aus der Luft versorgt werden. Zu gefährlich sind mittlerweile die Überlandtransporte in die Provinzen.
Auf der holprigen Piste in Saurimo landen 55 Mal im Monat UN-Flugzeuge. Damit wird die minimale Versorgung der Flüchtlinge gewährleistet: 1800 Kilokalorien pro Person täglich. Der Speiseplan ist zusammengesetzt aus Mais, getrockneten Bohnen, Speiseöl und Salz. Normalerweise ist das WFP nur für die Organisation und den Transport der Hilfsgüter zuständig. In Saurimo übernahm ein Team, angeführt vom quirligen Australier John Robinson, auch die Verteilung der Lebensmittel. Die Regierung war dazu schlicht nicht in der Lage.
18 Monate, also zwei Ernteperioden lang, werden die Leute versorgt. Dann sollten sie eine neue Existenz aufgebaut haben. Was aber im Hunderte Kilometer entfernten Lepi zu funktionieren scheint, entpuppt sich in Saurimo als nahezu unlösbar.
„Den Leuten hier fehlt jede Motivation, neu zu beginnen“, meint John. Zu oft habe ihnen der Krieg alles genommen, sie vertrieben oder ihre Felder verwüstet. Schon jetzt ist absehbar, dass die meisten nach dieser Frist immer noch vor dem Nichts stehen werden. Für diesen Fall bietet die UNO weiter ihre Hilfe an.
Schon vor der Unabhängigkeit von Portugal am 11. November 1975 zeichnete sich die Unfähigkeit der drei wichtigsten angolanischen Parteien zu einer gemeinsamen Regierung des Landes ab. Zu groß waren die tribalen, persönlichen und im Zusammenhang mit dem Kalten Krieg angestachelten ideologischen Unterschiede zwischen der linksgerichteten Volksbewegung (MPLA), der westlich orientierten Nationalen Front (FNLA) und Savimbis national-afrikanischer Nationalen Union (UNITA).
Im folgenden Bürgerkrieg konnte sich dank Unterstützung kubanischer Interventionstruppen die MPLA durchsetzen. Während die FNLA immer bedeutungsloser wurde, startete Savimbi vom östlichen Buschland seinen Guerillakrieg gegen die Regierung. Internationale Unterstützung erfuhr er dabei von US-Präsident Ronald Reagan, der auch in Afrika das „Reich des Bösen“ bekämpfte.
Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Abzug der Kubaner wurde Angola für die internationale Politik bedeutungslos. Dank der Bodenschätze waren die Streitparteien aber nicht mehr auf Hilfe von außen angewiesen: Erdöl und die so genannten Blutdiamanten schmieren die angolanische Kriegsmaschinerie. Hoffnung auf Frieden gab es erstmals 1992, als man sich auf gemeinsame Wahlen einigte. Savimbi ließ die notwendig gewordenen Stichwahlen aber platzen. 1994 unterschrieb man in Lusaka ein weiteres Friedensprotokoll, das aber nicht einmal sein Papier wert war. Seither haben sich die Fronten zusehends verhärtet.
BeobachterInnen schätzen, dass die Regierung heute lediglich 20 Prozent des Landes kontrolliert – einen schmalen Küstenstreifen und das Gebiet um die Provinzhauptstädte. Im Rest des Landes herrscht Anarchie und die ständige Angst vor Überfällen durch die UNITA oder unterversorgte Regierungstruppen.
Die Hauptstadt Luanda nennt Savimbi spöttisch „Luanda-Land“, in Anspielung auf die Disney-Vergnügungsparks. Dabei ist das Leben in Luanda alles andere als ein Vergnügen.
Den Moloch nimmt man zunächst einmal durch die Nase wahr. Penetranter Gestank nach Abfällen und Fäkalien verpestet die Luft. Ein zehnjähriger Junge hängt kopfüber in einem zerbeulten Abfallcontainer vor meinem Hotel, um ihn nach Verwertbarem zu durchstöbern. Für die Leute in Luanda ein gewohntes Bild.
Entlang der lädierten, schlaglochübersäten Straßen, zwischen den heruntergekommenen Fassaden, drängen sich VerkäuferInnen, Schuhputzer, GeldwechslerInnen und Kriegskrüppel – hauptsächlich Minenopfer. Dazwischen, in teuren Fahrzeugen, jene, die es geschafft haben: Emporkömmlinge, die vom Reichtum des Landes oder von ihrem Platz innerhalb der Nomenklatura profitieren. Welten trennen sie von denen draußen auf der Straße. Diese schmale Schicht muss Savimbi gemeint haben: jene AngolanerInnen in ihren klimatisierten Geländewägen und bewachten Villen.
Der verkrüppelte Bettler an der Straßenecke sieht sich selbst sicher nicht in einer Luftblase des Wohlstandes. Mit Sicherheit hat er aber auf ein besseres Leben gehofft, als er sich vor dem Terror der UNITA in die Hauptstadt rettete. Anders kann ich mir seine stolze Frage nicht erklären, wie mir denn Luanda gefalle? Natürlich lüge ich ihn an: „Sehr gut!“
Thomas Spielbüchler ist freier Journalist und lebt in Salzburg. Er recherchierte in Angola für seine Dissertation in Geschichte.
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