Working for the Yankee Dollar

Von Robert Poth · · 2001/03

Die Übernahme des US-Dollar als offizielle Landeswährung durch Ecuador und El Salvador hat die Debatte über die Währungspolitik in Lateinamerika neu entfacht. Ist ťDollarisierenŤ eine schlechte Idee? Nicht unbedingt, meinen manche Experten.

Richtig beliebt ist der US-Dollar in Lateinamerika nicht. Für lange Zeit war Panama das einzige Land der Region, das den US-Dollar als offizielle Währung verwendete – seit 1904. Erst 1991 führte Argentinien eine Wxe Parität zum Dollar ein, ohne allerdings den Peso aufzugeben. Und Ecuador und El Salvador, die im vergangenen Jahr bzw. mit Jahresbeginn den „Greenback“ einführten, fallen wirtschaftlich nicht ins Gewicht.
Eine Tendenz zur Dollarisierung ist nach Ansicht des Chefökonomen der Weltbank für die Region, Guillermo Perry, auch nicht festzustellen, wenn von einigen Ländern in Zentralamerika und der Karibik abgesehen wird: Die Mehrheit hält an den eigenen Währungen fest.

Theoretisch liegen sie damit richtig. Die USA und Lateinamerika sind bei weitem kein „optimaler Währungsraum“, dessen Vorhandensein selbst in der Euro-Zone bezweifelt wird: Die Wahrscheinlichkeit sogenannter „asymmetrischer Schocks“, also von externen Entwicklungen wie etwa der Rohstoffpreise, die sich auf die USA und Lateinamerika unterschiedlich auswirken, ist hoch. Dollarisierung würde etwa bedeuten, dass weder der Wechselkurs noch die Geldpolitik eingesetzt werden können, um die Folgen solcher Schocks auf die eigene Wirtschaft abzufedern. Eigene Zentralbanken wären überflüssig, der Wechselkurs wäre fixiert, und die Vorgaben für Inflation und Zinsniveau kämen aus Washington, ohne Rücksicht auf die Situation in Lateinamerika.

Tatsächlich ist es aber mit der Souveränität der Währungs- und Geldpolitik in Lateinamerika nicht weit her, wie Ricardo Hausmann von der Interamerikanischen Entwicklungsbank IADB betont. Das zeigen die Reaktionen auf die „Schocks“ in den letzten Jahren – die Asienkrise 1997/98, den folgenden Verfall der Preise der Exportprodukte der Region oder die Russlandkrise. Die Abwertungen des mexikanischen Peso oder des brasilianischen Real gingen nicht mit einer Senkung, sondern mit einer Erhöhung der Zinsen einher (siehe Grafik), und das Ergebnis war eine schwere Rezession bzw. Stagnation.

Von einer Milderung von Schocks, der theoretischen Funktion einer eigenen Währung und Zentralbank, ist wenig zu sehen. Ein Grund dafür ist die De-facto-Dollarisierung der Region, eine Folge der „Erbsünde“ der lateinamerikanischen Länder – einer historischen Neigung, Staatsausgaben etwa durch die Betätigung der Notenpresse zu Wnanzieren und damit Inflations- und Abwertungsspiralen auszulösen.
Resultat: Regierungen und Unternehmen können sich nicht im Ausland in eigener Währung verschulden, und selbst inländische Anleger trauen dem eigenen Geld nicht. Sie fordern überhöhte Zinssätze, die das Risiko einer Abwertung berücksichtigen, und halten ihr Vermögen am liebsten in US-Dollar, ob auf inländischen Konten, in Steueroasen oder im Ausland. Und trotz der gesunkenen Inflationsraten infolge der Stabilisierungsprogramme der neunziger Jahre nimmt der Anteil der Dollarvermögen weiter zu. Sowohl Regierungen als auch Unternehmen sind in hohem Ausmaß in US-Dollar verschuldet.
Dazu kommt noch eine historische Tradition zur raschen Angleichung von Löhnen und Preisen an eine Abwertung, wie Hausmann unterstreicht. Positive Abwertungseffekte sind bald wieder dahin. Trotz eines nominell niedrigeren Wechselkurses zum US-Dollar (derzeit 9,71 gegenüber 3,38 im Jahr 1994) ist der reale Wert des mexikanischen Peso laut IADB heute wieder auf dem selben Niveau wie 1994/95, dem Zeitpunkt seiner letzten erzwungenen Abwertung.

Unter diesen Voraussetzungen wird der Wechselkurs zu einem zweischneidigen Instrument. Jede Abwertung mit dem Ziel, eine defizitäre Leistungsbilanz ins Gleichgewicht zu bringen, erhöht den Schuldendienst gemessen in eigener Währung und am eigenen Wirtschaftsprodukt. Dies sorgt für vermehrte Zweifel an der Zahlungsfähigkeit von Unternehmen und Regierungen. Bereits die Möglichkeit einer Abwertung allein kann eine Kapitalflucht auslösen, die dann genau jene Abwertung erzwingt, die befürchtet wurde. Um dies zu vermeiden, müssen hohe Zinsen geboten werden, die allerdings wiederum die zukünftige Schuldenlast erhöhen.

Wie können Regierungen aus diesem Schlamassel entrinnen? Eigentlich nur, indem sie für „Glaubwürdigkeit“ ihrer Fiskal- und Geldpolitik sorgen. Das ist aber nicht so einfach, wie das Beispiel Argentiniens zeigt. Obwohl seit 1991 die Parität von Peso und Dollar verteidigt wurde, musste Argentinien im Vorjahr 16 Prozent Zinsen auf seine Schuldtitel bieten – eine Risikoprämie von zehn Prozent im Vergleich zu Anleihen der US-Regierung. Dabei liegt die öffentliche Verschuldung Argentiniens mit 49 Prozent des Bruttoinlandsprodukts weniger hoch als im Maastricht-Vertrag vorgeschrieben (60 Prozent), und auch das Budgetdefizit könnte sich im EU-Vergleich sehen lassen. Solche Zinsen werden die zukünftige Zahlungsfähigkeit Argentiniens natürlich beeinträchtigen – eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.

Wozu also überhaupt eigene Währungen, fragt Hausmann, wenn weder die theoretische Flexibilität der Wechselkurs- und Geldpolitik genutzt werden kann noch eine fixe Parität davor schützt, von den „Märkten“ bestraft zu werden? Eine eigene regionale Währung wäre kaum attraktiver als die bisherigen nationalen, weshalb sich der US-Dollar anbietet. Zu regeln wären jedoch zwei Probleme: Die Aufteilung des Münzgewinns der USA – die Differenz zwischen dem nominellen Wert der Dollarscheine und -münzen und ihren Produktionskosten – und die Schaffung eines Refinanzierungsinstituts, das mit Liquidität einspringen kann, um das Bankensystem gegen Vertrauenskrisen zu immunisieren. Politisch wäre ein solcher Schritt für die Region jedenfalls schwierig, meint Hausmann. Da hat er sicher recht.

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