Guerilla Gardening ist auch hierzulande auf dem Vormarsch. Was steckt dahinter und wie guerilla-grün ist Wien?
Es ist eine urbane Modeerscheinung: Guerilla Gardening, die heimliche Aussaat von Pflanzen auf unbebauten städtischen Flächen. Sie wurzelt u.a. in den „Community Gardens“ im New York der 1970er Jahre. Zur Protestform erhoben von britischen Guerillagärtner-PionierInnen, erfreut sich die Bewegung vor allem in westlichen Metropolen großer Beliebtheit. Nicht zuletzt, weil jeder zum Guerillagärtner werden kann: eine Handvoll Samen, ein verwaistes Fleckchen Erde und schon kann’s los gehen.
Betätigungsfelder für die selbst ernannten BepflanzerInnen gibt es genug: von Hinterhöfen über Baumscheiben bis zu Gehsteigspalten, der Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt. Die Guerilla-Gardening-Bewegung ist so bunt wie ihre Taten, die Grenzen zu anderen Formen urbanen Gärtnerns sind fließend. Dahinter stecken die verschiedensten Motive: Belebung des öffentlichen Raums, Rückeroberung der Straße, Kunst mit ökologischem Anspruch, direkte Lebensmittelversorgung oder subtiler Protest gegen die strengen Hierarchien, die die Gestaltung und Nutzung des städtischen Grüns regeln. Als gemeinsamer Nenner bleibt die Freude an der Veränderung des Stadtbildes.
In Wien ist die Szene noch relativ jung, aber durchaus aktiv. Mit ihren vielen Grünflächen bietet die Stadt jedenfalls einen guten Nährboden. „Wie groß die Szene ist, ist schwer zu sagen, denn sie ist nicht wirklich einheitlich und auch nicht koordiniert“, sagt Roland Dunzendorfer, Landschaftsplaner und Guerillagärtner. Ein Vorzeigebeispiel ist der Längenfeldgarten in Wien, ein Gemeinschaftsgarten, der seit mehreren Jahren funktioniert. Das selbstverwaltete Projekt bei der Längenfeldgasse wird von den Behörden toleriert, was in Wien eher eine Ausnahme darstellt, wie Dunzendorfer erklärt.
Ob reiner Zufall oder Konsequenz des grünen Ungehorsams: Gärtnern ist cool geworden. Garten-Magazine stellen neue Reichweiten-Rekorde auf, Utensilien für den Garten am Balkon finden sich mittlerweile schon in jedem Supermarkt. Wer kann, zieht seine eigenen Tomaten, ohne deswegen des Spießertums bezichtigt zu werden. Das hat mit der ursprünglichen Idee des Guerilla-Gärtnerns, die sich um Konsum-und Kapitalismuskritik dreht und den Umgang mit öffentlichem Raum hinterfragt, dann zwar wenig zu tun, ist aber Teil einer neuen grünen Bewegung, die auch in Wien regen Zulauf verzeichnet.
Literatur & Links:
Richard Reynolds: Ein botanisches Manifest, orange-press, Freiburg 2009, 269 Seiten, Euro 20,-
Josie Jefferey: Mit Samenbomben die Welt verändern, Ulmer, Stuttgart 2012, 128 Seiten, Euro 14,90
Gärtnern ist nicht nur entspannende Freizeitbeschäftigung, sondern auch Ausdruck von Kritik am System der Lebensmittelproduktion und Wunsch nach Alternativen: Ob Gemeinschaftsgärten und urbane Landwirtschaft nun eine Weiterentwicklung von Guerilla Gardening sind oder eher angepasste Verwandte, darüber gibt es freilich verschiedene Meinungen.
„Interessant ist der Einstieg der Wiener Bezirke“, meint Dunzendorfer. „Ähnliche Entwicklungen gab es bereits in Berlin oder London. Wenn man sich zum Beispiel bei der Gebietsbetreuung im 15. Bezirk meldet, bekommt man etwa Baumscheiben zur Nutzung zugewiesen und erhält auch Tipps zur Pflanzenpflege“, erklärt Dunzendorfer. „Das ‚System‘, sprich die Verwaltung, versucht natürlich, das Bedürfnis zu gärtnern zu kanalisieren und zu kontrollieren.“
Während manche ob der Tendenz, zu gärtnern, wo die Behörden es erlauben oder vielleicht sogar unterstützen, die Nase rümpfen, ist der britische Guerilla-Gardening-Guru Richard Reynolds pragmatisch. Selbst er, Verfasser des in viele Sprachen übersetzten „botanischen Manifests“, der inoffiziellen Kampfschrift der GuerillagärtnerInnen, die auch Anleitungen zum Bau von „Samenbomben“ beinhaltet, pflanzt mittlerweile – auch – mit Erlaubnis der Hausverwaltung.
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