„Wir helfen jedem“

Von Redaktion · · 2017/09

Wieso eine Gruppe von MedizinstudentInnen viel riskiert, um Verletzte auf den unruhigen Straßen Venezuelas zu versorgen. Hanna Silbermayr sprach mit Federica Dávila, einer der Gründerinnen der sogenannten Grünhelme („Cascos Verdes“).

Sie sind eine der drei Gründerinnen der Grünhelme, der Cascos Verdes. Warum machen Sie diese freiwillige Arbeit?

Bei all dem, was derzeit in meinem Land passiert, ist es das, von dem ich am ehesten glaube, mich nützlich machen zu können. Ich denke, dass wir mit dieser Arbeit sehr viele Menschen erreichen und auch eine positive Wirkung auf sie ausüben.

Ihre Einsätze sind sehr gefährlich. Im Mai kam Paul Moreno, ein Grünhelm, während seiner Arbeit bei den Protesten ums Leben. Wie ging es Ihnen, als Sie davon erfahren haben?

Ich kannte Paul Moreno nicht persönlich, trotzdem ging mir sein Tod sehr nahe, wir sind ja so etwas wie eine große Familie. Zu erfahren, dass einer von uns sein Leben verloren hat, während er anderen helfen wollte, war echt hart. Ich habe an diesem Tag sehr viel geweint. Gleichzeitig hatte ich Angst, dass das die anderen Freiwilligen demotivieren könnte. Aber dann sind die Leute erst recht hinausgegangen, weil sie ein Zeichen setzen wollten.

Die Grünhelme sagen, dass sie unparteiisch sind. Wie drückt sich das während der Proteste aus?

Wir helfen jedem, der Hilfe braucht. Wir richten uns nach dem internationalen Kodex, der besagt, dass ein Arzt jeden Patienten behandeln muss, unabhängig von seiner Rasse, Farbe, Religion oder politischen Meinung. Wir sagen das nicht nur so dahin. Wir haben verletzten Polizisten genauso geholfen wie Demonstranten. Wir glauben ganz fest daran, dass die Medizin keine Unterschiede machen darf.

Die Grünhelme

Drei Studentinnen gründeten 2014 die „Cascos Verdes“, auf Deutsch: Grünhelme. Als die damaligen Proteste gegen die Regierung von Nicolás Maduro teils brutal niedergeschlagen wurden, schickten sie MedizinstudentInnen zu den Auseinandersetzungen, die dort Erste Hilfe leisteten. Mit Beginn der aktuellen Proteste wurde das Projekt reaktiviert. Etwa 250 Freiwillige helfen derzeit in kleinen Teams dort, wo gerade Hilfe gebraucht wird. Sie sehen sich als unparteiisch an und verweigern politische Stellungnahmen.

Bei dieser Arbeit bedarf es einiges an Hilfsmitteln und Medikamenten. Wie wird sie finanziert?

Wir bekommen Spenden in Form von medizinischem Bedarf und Medikamenten aus dem In- und Ausland. Nie hätten wir gedacht, dass wir aus so vielen verschiedenen Ländern Unterstützung bekommen würden! Sogar aus Malaysia haben sie uns Dinge geschickt, die in Venezuela knapp sind.

Gibt es einen Moment, der Sie bei Ihren Einsätzen am meisten beeindruckt hat?

Am meisten berührt hat mich eine 90-jährige Frau. Wir kamen gerade von einem Protest auf der Autobahn und hatten noch nichts gegessen, darum machten wir bei einem Einkaufszentrum Halt. Da kam es auch zu Tumulten und die Polizei begann, mit Tränengas zu schießen. Die alte Frau war mit ihrer Tochter einkaufen und hatte mit den Protesten eigentlich nichts zu tun. Sie bekam wegen des Tränengases keine Luft. Wir haben ihr geholfen. Als die alte Frau dann wieder besser atmen konnte, saß sie da und sagte kein Wort. Ihr sind einfach nur die Tränen über die Wangen geronnen. Das war ein sehr heftiger Moment für mich.

Was muss passieren, damit das Chaos in Venezuela ein Ende nimmt?

Ich will nicht über Politik sprechen, aber ich glaube, dass wir derzeit eine sehr schwierige Situation erleben. Wenn wir Venezolaner uns aber gegenseitig unterstützen und helfen, jeder in dem Rahmen, wie er kann und will, könnten wir jenes Land erschaffen, das wir gerne hätten.

Hanna Silbermayr arbeitet als freie Journalistin zu Lateinamerika und lebte bis August in Venezuela.

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