Die Gewerkschafterin Sean Sophol ist Näherin in einem Textilbetrieb in Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh. Auf Einladung der Kampagne für Saubere Kleidung hat sie vergangen Herbst Deutschland besucht. Julia Schniewind hat mit ihr über die Herausforderungen ihrer Arbeit gesprochen.
Südwind-Magazin: Sie arbeiten in dem Textilunternehmen SL2. Wie stark ist die Gewerkschaft in Ihrem Betrieb?
Sean Sophol: Von den insgesamt 1.300 Arbeitern und Arbeiterinnen bei SL2 sind etwa 1.000 Gewerkschaftsmitglieder. Ich selbst bin seit zwölf Jahren im Betrieb und seit ihrer Gründung vor fünf Jahren in der Gewerkschaft aktiv. Früher war der Druck sehr hoch. Seit die Gewerkschaft im Betrieb vertreten ist, hat sich die Lage ein wenig gebessert. Der Gewerkschaftsverband C.CAWDU – das steht für Coalition of Cambodia Apparel Workers’ Democratic Union – hat uns von Beginn an unterstützt.
Was hat sich denn konkret geändert?
Heute haben wir Kenntnisse im Arbeitsrecht, sodass die Firmeninhaber nicht mehr alles mit uns machen können. Früher gab es nur befristete Verträge von maximal drei Monaten. Heute haben 50 Prozent der Beschäftigten ein festes Arbeitsverhältnis. Wir durften früher selbst mit einer Krankschreibung nur dann zu Hause bleiben, wenn der Chef zustimmte.
Seit der Gründung der Gewerkschaft gibt es geregelte Überstunden. Bei Krankmeldungen oder Schwangerschaft haben wir zumindest einen Teilerfolg erzielt. Laut Gesetz steht Frauen nach einer Geburt 90 Tage bezahlter Mutterschutz zu. Die Firma erlaubt den Frauen nun zwar, diese 90 Tage zu Hause zu bleiben, zahlt aber nur 78 Tage lang die Hälfte des Lohns.
Was müsste sich noch ändern?
Die Gesundheit der Arbeiterinnen ist noch immer stark gefährdet. Wenn sie zu wenig zu essen haben und daher geschwächt sind, werden Schwangere manchmal im Betrieb ohnmächtig. Wegen der schlechten Luft haben viele Schwangere eine Frühgeburt.
Wird die Einhaltung von Gesetzen in ihrem Betrieb regelmäßig kontrolliert?
Wir haben wunderbare Gesetze und Vorschriften, zum Beispiel von der ILO, aber die Unternehmen scheren sich nicht darum. Wenn es Kontrollen gibt, werden die Arbeiterinnen vor den Augen des Chefs befragt. Was soll man da schon erzählen?
Was sind die Hauptwiderstände gegen Ihre Gewerkschaftsarbeit?
Alles, was mit Geld zu tun hat, ist sehr schwer durchzusetzen. Die Unternehmer erklären, dass sie sich keine Lohnerhöhung von fünf US-Dollar leisten können, weil man diese Summe ja mit 1.300 multiplizieren muss. Gleichzeitig erweitern sie stetig den Betrieb.
Wie haben sich die Löhne in den vergangenen Jahren denn entwickelt?
Bis zum Jahr 2012 haben wir eine Erhöhung des Mindestlohns von 60 auf 80 US-Dollar im Monat durchgesetzt. Ende vergangenen Jahres haben wir dann 160 US-Dollar gefordert und sind dafür auch in einen großen, landesweiten Streik getreten. Anfang Januar 2014 hat die Polizei bei Protesten fünf Arbeiter erschossen, über 40 wurden verletzt und 23 verhaftet. Erst daraufhin haben sie gesagt, wir machen ein neues Zugeständnis und erhöhen auf 100 US-Dollar. Aber leider hat die Inflation die Lohnerhöhungen längst aufgefressen.
Wie könnte internationale Solidarität helfen?
Derzeit kämpfen wir für eine Erhöhung des Mindestlohns auf 177 US-Dollar. Die großen Textilunternehmen hier in Europa sollen sich dazu bereit erklären, mehr für die Produkte zu bezahlen – und den höheren Lohn in ihre Kalkulation einbeziehen. Dies ist für uns sehr wichtig, weil in Kambodscha sowohl die Regierung als auch die Fabrikbesitzer behaupten, die Modemarken würden woanders produzieren lassen, wenn der Mindestlohn erhöht wird.
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