Wie es in Venezuela weitergeht

Von Tobias Lambert · · 2022/Mar-Apr
Pro-Forma-Unterschriftensammlung des Wahlrats für ein Abberufungsreferendum gegen Maduro, just vor einem Wandbild von Ex-Präsident Chavez. © Matias Delacroix / AP / picturedesk.com

Die Regional- und Kommunalwahlen in Venezuela hat die Regierung des Präsidenten Nicolás Maduro gewonnen. Die Regierungsgegner*innen müssen sich nun über ihre Strategie klar werden.

Auf dem Papier scheint die Sache klar: Bei den Regional- und Kommunalwahlen am 21. November 2021 gewann die regierende Vereinte Sozialistische Partei Venezuelas (PSUV) 19 von 23 Gouverneur*innen- und über 200 von 335 Bürgermeister*innenposten. Allerdings kam sie bei einer vergleichsweise niedrigen Wahlbeteiligung von 42 Prozent landesweit auf nur 45 Prozent der Stimmen.

Die Regierungsgegner*innen waren nach erfolglosen Wahlboykotten erstmals seit vier Jahren wieder fast komplett angetreten. Ihre Stimmen teilten sich allerdings auf mehrere Parteienbündnisse und unabhängige Kandidat*innen auf.

Symbolischer Sieg. Die mehrheitlich rechte Opposition sieht sich trotz der wenigen gewonnen Posten auf einem guten Weg. Das hat mit einem verspäteten, hochsymbolischen Sieg zu tun. Denn bei einer umstrittenen Wahlwiederholung im südwestlichen Bundesstaat Barinas verlor die PSUV innerhalb von sieben Wochen gleich zweimal.

Barinas ist der Geburtsstaat des Ex-Präsidenten Hugo Chávez, in dessen Tradition sich die PSUV sieht. Seit 1999 regiert dort durchgehend die Familie Chávez (Vater Hugo de los Reyes sowie die Brüder Adán und Argenis).

Am 21. November 2021 hatte der Oppositionelle Freddy Superlano mit gerade einmal 130 Stimmen vor Argenis Chávez gelegen. Das regierungstreu besetzte Oberste Gericht stoppte die Auszählung jedoch und ordnete eine Wahlwiederholung für den 9. Jänner an. Zur Begründung hieß es, Superlano sei die Ausübung politischer Ämter untersagt. Tatsächlich war dies seit 2017 der Fall, im August 2020 hatte er sein passives Wahlrecht durch eine Begnadigung von Präsident Nicolás Maduro aber zurückerhalten.

Letztlich hat sich die Regierung in Barinas verzockt: Bei der Wahlwiederholung setzte sich der oppositionelle Ersatzkandidat Sergio Garrido mit gut 55 Prozent und 44.000 Stimmen Vorsprung deutlich gegen den neuen PSUV-Kandidaten und ehemaligen Außenminister Jorge Arreaza durch. Argenis Chávez war auf eigenen Wunsch nicht noch mal angetreten.

Rückenwind. Der Opposition könnte ihr Wahlsieg in Barinas unerwarteten Rückenwind bescheren und den Flügel stärken, der auf die Teilnahme an Wahlen und Abstimmungen setzt.

Einigkeit über das weitere Vorgehen besteht jedoch nicht. Mitte Jänner nahm der Nationale Wahlrat (CNE) drei unterschiedliche Anträge oppositioneller Gruppierungen zur Aktivierung eines Abberufungsreferendums gegen Maduro entgegen. Laut Verfassung ist dies nach der Hälfte der Amtszeit ab dem 10. Jänner prinzipiell möglich.

Damit es zu einem Referendum kommt, müssten laut Verfassung zunächst 20 Prozent der Wahlberechtigten unterschreiben (derzeit gut vier Millionen Personen). Für eine erfolgreiche Abwahl müssten dann mehr Personen gegen Maduro stimmen als bei der Präsidentschaftswahl 2018 für ihn gestimmt haben (6,25 Millionen).

Doch die Regierungsmehrheit im CNE bremste die Initiative umgehend aus, indem Bedingungen gestellt wurden, die nicht zu erfüllen waren. So hätte die Opposition am 26. Jänner ohne Vorbereitung an lediglich 1.200 Sammelpunkten die Unterschriften zusammenbekommen müssen.

Zahlreiche Oppositionelle sind der Meinung, ein Abberufungsreferendum hätte nur Sinn ergeben, wenn es mit der Regierung am Verhandlungstisch vereinbart worden wäre. Doch der in Mexiko im vergangenen August begonnene Dialog, bei dem unter anderem die Wirtschaftskrise und Wahlbedingungen thematisiert wurden, liegt derzeit auf Eis.

Nun bleibt die reguläre Präsidentschaftswahl 2024 als Ziel. Um bis dahin eine Chance zu haben, müsste sich die Opposition mindestens auf ein einheitliches Auftreten, ein stringentes Programm und eine gemeinsame Kandidatur einigen.

Tobias Lambert arbeitet als freier Autor, Redakteur und Übersetzer überwiegend zu Lateinamerika. Er twittert unter @lambert_to

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