Authentically Plastic aus Uganda sieht die eigene Musik als Rebellion gegen Homophobie und Rassismus. Die queere Künstler:in ist wieder zu Gast in Wien.
Tayo Alemi interessiert sich für Musik, solange sie denken kann. Unter dem Namen Authentically Plastic tritt sie weltweit als DJ, Visual Artist und Performer:in auf. Im Rahmen des Artist-in-Residence-Programms von Kulturen in Bewegung arbeitet Alemi zwischen Mai und September in Wien. Das Südwind-Magazin erreichte die ugandische Künstler:in, die sich als non-binäre Person versteht, zum Online-Gespräch in New York.
Aufgewachsen in Kampala, der Hauptstadt Ugandas, beschäftigte sie sich in ihrer Jugend viel mit Musikblogs, die Underground-Musik behandelten. Alemi hörte viel Gqom, ein Genre der elektronischen Tanzmusik aus Südafrika, etwa vom queeren Künstler:innen-Duo Faka. Mit Ende 20 fing Alemi an, selbst Musik zu produzieren.
Befreiung. Über die Wortkombination Authentically Plastic stolperte sie in einem Artikel. Später habe der Name an Bedeutung gewonnen: „In homophoben und rassistischen Umgebungen muss ich verschiedene Gesichter, verschiedene Schichten anlegen, um zu überleben – sei es in der Familie, auf der Straße, in der Stadt, bei der Arbeit“. Auch musikalisch gesehen gehe es darum einen Mix zu kreieren, der mehrere Gesichter hat und sich in jede beliebige Richtung drehen kann.
Wichtig ist der Künstler:in die kritische Komponente: Auf dem Musikblog Bellonamag veröffentlichte Alemi 2022 den Essay „Technopolis“. „Ich beschreibe darin die Art von Widerstand, die etwa der Technomusik innewohnt: wie Musik aus dem Schwarz-amerikanischen Kontext heraus entstanden ist oder auch über die Free Jazz-Szene in Chicago. Ich versuche diese Energie aufzugreifen“, erklärt Authentically Plastic ihren Zugang zu Techno, den sie mit ostafrikanischen Polyrhythmen mischt. „Ich bin in einer homophoben Kultur aufgewachsen, in einer Umgebung, die versucht, dich ruhig zu stellen“, so Alemi.
Queere Clubnächte. Zwischen 2018 und 2023 organisierte Authentically Plastic mit einem Kollektiv namens Anti-Mass Clubnächte in Kampala. „Die meisten queeren Partys fanden zuvor privat in Häusern statt. Wir wollten aber das Gefühl vom Verstecken loswerden und auch neue Leute treffen.“ Zudem sollte ein Raum für experimentelle Elektromusik und queere Freude entstehen. Das sei auch Widerstand gegen einen unterdrückenden Staat. An die 200 Menschen kamen zu den Partys. Ein Veranstaltungsort wurde dabei höchstens zweimal genutzt, sonst wäre die Gefahr zu groß gewesen, von den Behörden entdeckt zu werden.
In Uganda sind homosexuelle Beziehungen streng verboten. Der Straftatbestand ist ein Erbe der Kolonialherrschaft. Die britischen Kolonialherren hatten 1950 im Strafgesetzbuch Homosexualität unter Strafe gestellt. Im Mai 2023 verschärfte die Regierung das sogenannte Anti-Homosexualitätsgesetz nochmals. Es ist eines der härtesten Gesetze gegen die LGTBIQ+-Community weltweit und sieht bei „schwerer Homosexualität“ die Todesstrafe vor.
Für Menschen aus der queeren Szene sei die Lage auch davor schon schwierig gewesen. Doch die Gesetzesverschärfung ließ für viele die Hoffnung auf Besserung schwinden.
Alemi zog daraufhin vergangenes Jahr nach London, viele Mitglieder des Anti-Mass-Kollektivs verließen ebenfalls das Land. „Wir haben im Ausland Geld gesammelt und an 180 queere Menschen verteilt, die während der Unruhen im vergangenen Jahr angegriffen und vertrieben wurden“, berichtet Alemi. Die große Sorge für viele Menschen bestehe im Moment darin, einen Weg finden zu können, um sich in Sicherheit zu bringen.
Bedrohliche Sichtbarkeit. „Ich habe den Eindruck, dass queere Menschen in der ugandischen Gesellschaft durch all die Hassreden, die homophoben Talkshows im Radio und die Sozialen Medien viel sichtbarer geworden sind. So wurde in der Öffentlichkeit ein erhöhtes Bewusstsein dafür geschaffen, wer denn eventuell queer sein könnte“, sagt die Künstler:in. Es sei schwierig, eine Wohnung zu finden, wenige Ärzt:innen würden einen behandeln, manche Familien würden den Kontakt abbrechen.
Was es jetzt u. a. braucht? Lokale Organisationen vor Ort in Uganda zu unterstützen, die sich für LGBTIQ+-Menschen einsetzen. Wichtig ist aber auch die internationale Aufmerksamkeit und der Druck auf die Regierung von Staatschef Yoweri Museveni. Trotzalledem zeigt sich Alemi optimistisch: „Momentan ist die Lage immens traurig, aber eines Tages werden wir wieder feiern können.“
Vienna calling (again). Im Mai, Juni und September ist Authentically Plastic nun in den Räumlichkeiten des Palais Rössl zu Gast in Wien. Es ist nicht das erste Mal für die Künstler:in in der Bundeshauptstadt: „Ich war bereits vor zwei Jahren hier und liebe die Stadt. Sie ist wirklich schön und scheint mich wieder zu rufen“.
Neben Auftritten und der Zusammenarbeit mit anderen Künstler:innen freut sich Alemi darauf, mehrere Monate an einem Ort zu verbringen. „Seit ich Uganda verlassen habe, ist es immer ziemlich hektisch gewesen, ich war weltweit viel auf Tournee. Es wird toll, nun für eine Zeit lang konstant an einem Ort zu sein, wo ich neues Material produzieren kann.“
Milena Österreicher ist Chefredakteurin des vierteljährlich erscheinenden MO-Magazins für Menschenrechte. Als freie Journalistin schreibt sie über Feminismus, Menschenrechte und Migration.
Termine mit Authentically Plastic
21. Mai, 18 Uhr
Interview und DJ Set auf Res Radio
(auch zum Nachhören): res.radio22. Mai, 19:30 Uhr
WUK Wien
Live A/V Set feat. Tobias Raschbacher bei Clišhé Träsh8. Juni
Kulturhaus Brotfabrik Wien
Festival Trans-Formationz im Ankersaal28. Juni
Volkskundemuseum Wien
Festival Vivências
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