Österreichs Medien liefern in ihrer Islam-Berichterstattung ein äußerst einseitiges Bild einer ganzen Religion, zusammengewürfelt aus wenigen Versatzstücken.
Wer Zeitungen liest, muss feststellen, dass Meldungen und Kommentare zu Islam auf wenige Themen reduziert sind: Kopftuch, Minarett, Polygamie, Zwangsheirat, Beschneidung, Ehrenmord, Terrorismus, Islamismus, Hassprediger, Unterdrückung.
Besonders häufig ist die Verknüpfung mit Gewalt, die jedoch in Widerspruch zur islamischen Theologie steht. Religion wird verantwortlich gemacht für Missstände, deren Wurzeln in gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenhängen liegen, nämlich in sozialer Zugehörigkeit, politischer Ohnmacht, ökonomischer Marginalisierung, mangelnder Bildung oder patriarchal geprägten Strukturen.
Oder es wird der Religion angelastet, was politische Ursachen hat: Wenn beispielsweise eine demokratisch gewählte Regierung scheitert, wie etwa in Ägypten, wird nicht gesagt, das Kabinett sei regierungsunfähig. Da wird gerne behauptet, der Islam sei demokratieunfähig. Wenn hingegen eine europäische Partei, die sich auf christliche Werte beruft, zu kritisieren ist, kommt kein Mensch auf die Idee, ein Versagen der Religion anzulasten.
Es besteht kein Zweifel, dass Medien – Boulevardblätter wie auch so genannte Qualitätszeitungen – islam- und muslimfeindliche Positionen nicht nur begünstigen, sondern aktiv Stimmung machen. Islamverbände, Integrations-Sachverständige und NGOs weisen mit schöner Regelmäßigkeit darauf hin. Die Initiative Teilnehmende Medienbeobachtung hat in vielen Einzelfällen islam- und muslimfeindliche Darstellungen dokumentiert.
In der Studie „Zuwanderung – Herausforderung für Österreichs Medien“ wurde festgestellt, „dass Massenmedien gezielt Praktiken anwenden, um den Absatz zu steigern: Sie skandalisieren, polarisieren, verwenden Stereotype, konstruieren Bedrohungsszenarien, verstärken Standpunkte und Meinungen – zum Teil kampagnenartig – und schlachten Einzelschicksale aus.“ Man würde nun meinen, dies sei die Bilanz einer Analyse von Medienberichten. Mitnichten. Dies ist ein Ergebnis der preisgekrönten, 2012 publizierten Dissertation von Karin Zauner, die 40 Verantwortliche aus österreichischen Redaktionen interviewte. Der Satz gibt die Meinung von 97 Prozent der Befragten wieder.
Mit anderen Worten: Medien produzieren Probleme, ihre Führungskräfte wissen, dass sie sie produzieren – und sie tun es trotzdem.
Die Verantwortung für die Inklusion von Muslimen und Musliminnen in die Gesellschaft liegt nicht nur bei Regierungen, sondern auch bei Zeitungen, TV & Co. Der Medienwissenschaftler Kai Hafez fordert in seinem Buch „Freiheit, Gleichheit und Intoleranz“ (2013), dass sich alle Bereiche der Gesellschaft umorientieren müssen: Politik, Wissenschaft, Schule, Kirchen, Medien. Diesem Befund kann sich die Initiative Teilnehmende Medienbeobachtung nur anschließen.
Ingrid Thurner ist Ethnologin, Publizistin und Mitglied der Teilnehmenden Medienbeobachtung. Die Initiative beobachtet die mediale Berichterstattung aus kritischer kultur- und sozialanthropologischer Perspektive.
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