Geschichte und Gegenwart eines zerrissenen Landes
Rotpunktverlag, 2006, 311 Seiten, EUR 19,80
Nicht nur das Kolumbien der Gewalt, des Drogenhandels, der Menschenrechtsverletzungen und des Bürgerkriegs wird hier analysiert, sondern auch jenes der Straßenfeste, der Kreativität und Lebenslust vorgestellt, der großartigen Landschaften und der gigantischen Artenvielfalt, der zauberhaften Spiritualität der indigenen Völker und ihres Umgangs mit der Natur. Sogar ein Abschnitt mit Reisetipps findet sich da – für die ganz Mutigen.
Denn im Vordergrund steht die Analyse eines der zerrissensten und gewalttätigsten Länder der Erde. Nach einem ausführlichen Einstieg in die Geschichte und Entwicklung der Rechts- und Eigentumsverhältnisse zur Zeit der Kolonisierung und des Unabhängigkeitskampfes widmet sich Hörtner dem zentralen Thema: der spezifischen Gewalt in der politischen Auseinandersetzung, deren historische (und aktuelle) Wurzeln er in der großen sozialen Ungleichheit sieht, in Verbindung mit einem abgeschotteten politischen System, wo es primär um die Verteilung von Pfründen unter den herrschenden Eliten und ihrer Anhängerschaft ging und geht. Ideologische und programmatische Unterschiede zwischen den Parteien gingen gegen Null. Gewalt war ein gängiges Mittel im Verteilungskampf.
Auf diesen stark historisierenden Teil folgt ein differenziertes und kritisches Bild der staatlichen und außerstaatlichen AkteurInnen im bewaffneten Konflikt: Guerillaorganisationen, Paramilitärs und jenes Zusammenspiel aus Militär, Paramilitär, wirtschaftlichen und politischen Eliten, das man mit „dunklen Kräften“ bezeichnet. Das Buch geht auch mit der Guerilla hart ins Gericht, der unter anderem „militärische Scheuklappenpolitik“ vorgeworfen wird, „die die Guerilla jeglicher Sensibilität gegenüber Stimmungen in der Bevölkerung beraubt hat“ (S.149), sowie eine „kolonialistische Herrenmentalität der Guerilla gegenüber Indigenen“ (S. 206). Doch Hörtner lässt, abgesichert mit einer Fülle empirischer Daten und Fakten, keinen Zweifel am kolumbianischen Grundübel aufkommen: dem Staatsterrorismus und der Straflosigkeit. Das paramilitärische Projekt sieht er bereits im Übergang zu einem hegemonialen Projekt. Die so genannte Demobilisierung wird überzeugend als skandalöse Amnestie beschrieben.
Doch bemüht sich Hörtner auch, Alternativen aufzuzeigen.Offizielle Friedensinitiativen und -prozesse und ihr Scheitern werden analysiert, zivilgesellschaftliche Ansätze dargestellt: kommunale Initiativen, Friedensgemeinden, Frauen für den Frieden.