Informationen aus erster Hand über die rätselhafte Mordserie an Frauen in und um Ciudad Juárez im Norden Mexikos.
In Ciudad Juárez, im Norden Mexikos an der Grenze zu den USA gelegen, ist die Globalisierung zu einer apokalyptischen Vision geworden. In den Weltmarktfabriken von Nike, Sony, Mitsubishi, Hewlett Packard & Co. schuften über 200.000 Menschen Tag für Tag – und bei guter Auftragslage auch nachts – in hermetisch abgeriegelten Gebäuden, bei stickiger Luft im Licht von Neonlampen, zu ärmlichen Löhnen und unter prekärsten Arbeitsbedingungen.
Mehr als die Hälfte der jungen Frauen, die etwa 65 Prozent der Arbeitskräfte in Ciudad Juárez stellen, sind ledige Mütter. Viele gingen alleine von Zuhause weg, um dann einen Teil ihres Einkommens an ihre Familien zu überweisen. Sie arbeiten in den Billiglohnfabriken, in Bars und Restaurants, als Prostituierte.
Und viele, die auf der Suche nach Arbeit hierher kamen, kehren nicht mehr zurück. In den letzten zehn Jahren sind hier zwischen 320 und 370 Frauen ermordet worden, zwischen 400 und 500 sind spurlos verschwunden. Amnesty International spricht von der Maquila-Boomtown als der „Stadt der toten Mädchen“.
Die grauenhaften Umstände, unter denen die Serienmorde begangen werden, bieten Nahrung für die verschiedensten Spekulationen. Die Opfer werden häufig vergewaltigt, misshandelt, erhängt oder zu Tode geprügelt. Und es sind in der Regel junge, attraktive Frauen, die von den Mördern ausgesucht werden, manchmal sogar noch Kinder.
Die Tatsache, dass die jahrelangen Ermittlungen bisher noch kein Licht in das Dunkel dieser bestialischen Mordserie gebracht haben, haben die Vorstellung von tödlichen Sex-Orgien entstehen lassen, an denen höchste Vertreter aus Gesellschaft und Politik teilnehmen. Andere sprechen davon, dass die Frauen zur Herstellung von Snuff-Videos entführt werden und ihr Leidensweg auf diesen gewaltverherrlichenden Pornos aufgenommen wird.
Die mexikanische Justiz hat es bis jetzt verabsäumt, die mysteriöse Mordserie aufzuklären, und die Politik hat die Problematik lange Zeit ignoriert. Große internationale Aufmerksamkeit verursachte nun eine Untersuchungskommission von Amnesty International Anfang August des Vorjahres in Ciudad Juárez. Die Gefangenenhilfsorganisation kommt zwar zu keinen konkreten Ergebnissen hinsichtlich der Täter, doch hat ihr Bericht, der die sträflichen juridischen und politischen Versäumnisse vieler Jahre aufzeigt, in Mexiko viel Staub aufgewirbelt.
Ende Jänner 2004 hat die mexikanische Justiz María López Urbina zur Sonderstaatsanwältin für die Aufklärung der Frauenmorde von Ciudad Juárez eingesetzt. Es wird jedoch bezweifelt, dass damit ein Durchbruch bei der Aufklärung der Serienmorde erreicht wird. Zu groß ist das Misstrauen gegenüber den staatlichen Ermittlungen in den letzten zehn Jahren, die zu keinerlei Ergebnissen geführt haben. Es wurden schon mehrmals staatliche Untersuchungskommissionen eingesetzt – die dann immer wieder einschliefen.
In den letzten Monaten haben sich die unheimlichen Verbrechen auch auf andere Städte der Grenzregion ausgeweitet, und selbst in der weit entfernten Hauptstadt Chihuahua hat die Zahl der ungeklärten Frauenmorde zugenommen.
Im März kommt Judith Galarza nach Wien, Gründerin einer Vereinigung von Familienangehörigen der ermordeten Frauen – ihre Schwester war eines der ersten Mordopfer. Sie wird hier über die jüngsten Ermittlungsergebnisse und über den gesellschaftlichen Hintergrund der rätselhaften Mordserie berichten. Neben einer Veranstaltung in Wien sind auch Treffen mit PolitikerInnen und NGO-Vertreterinnen geplant.
Veranstaltung am 12. März.
s. Termine Wien, Kasten Frauenmonat.