„Wenn man die Reichen zur Kassa bittet, verschreckt das Investoren und schadet der Wirtschaft.“

Von Redaktion · · 2016/02

Ein Mythos des Neoliberalismus besagt: Der Privatsektor schafft Wohlstand, Steuern zerstören ihn. Je weniger Steuern, desto besser wird es uns daher gehen; ein Steuerwettlauf zwischen Ländern begünstigt Investitionen und fördert die Schaffung von Wohlstand.

Die Wahrheit ist natürlich, dass private Unternehmen ohne öffentlich finanzierte Bildung, Gesundheitsversorgung und Infrastruktur (ganz zu schweigen von Rettungspaketen) nicht existenzfähig wären. Steuern schaffen ebenso Wohlstand wie private Unternehmen. Durch „Steuerkriege“, einen Wettlauf um die niedrigsten Steuersätze und die besten Methoden der Steuerhinterziehung, droht Gesellschaften die Verarmung, ja sogar der Untergang.

Über die „richtige“ Höhe und Art der Besteuerung lässt sich aus ökonomischer Sicht nicht viel sagen – das ist eine politische Frage. In einer Demokratie wird dabei eher darauf Wert gelegt werden, dem Prinzip der Gerechtigkeit Genüge zu tun. Mit einer „progressiven“ Besteuerung soll etwa erreicht werden, dass die breitesten Schultern auch die höchste Steuerlast tragen. „Regressive“ Steuern wie insbesondere die Mehrwertsteuer, die von allen gleichermaßen bezahlt wird, haben die gegenteilige Wirkung.

Reiche ohne Steuern. Markenzeichen des Neoliberalismus sind eine zunehmend regressive Besteuerung und verbreitete Steuerhinterziehung. Für profitable Unternehmen und reiche Privatpersonen ist Steuervermeidung ein lukratives Geschäft geworden. Gerade die Reichsten zahlen mittlerweile überhaupt keine Steuern mehr. Tatsächlich werden sie vom Rest der Gesellschaft subventioniert, auch von der weit größeren Zahl der stärker lokal verankerten Unternehmen.

Neoliberale Steuersysteme sind nicht naturgegeben. Ein völlig anderes Bild ergibt sich insbesondere, wenn man anstatt der Einkommen die privaten Vermögen betrachtet. Der französische Ökonom Thomas Piketty schätzt, dass der öffentliche Sektor auf weltweiter Ebene heute über kein Nettovermögen verfügt – die Staatsverschuldung entspricht in etwa den staatlichen Vermögenswerten. Die privaten Vermögen übersteigen jedoch die staatlichen Vermögen um das Sechsfache. Eine einmalige Steuer von 15 Prozent auf private Vermögenswerte, so Piketty, „würde einen Betrag fast in Höhe des jährlichen Nationaleinkommens ergeben und daher die sofortige Rückzahlung aller bestehenden Staatsschulden ermöglichen“. 1

David Ransom

Copyright New Internationalist

1)    Thomas Piketty, Capital in the Twenty-First Century, Harvard University Press, 2014.

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