In Peru sind die Auseinandersetzungen um die angeblichen Segnungen des Bergbaus voll entbrannt. Die ansässige Bevölkerung und RegionalpolitikerInnen sind häufig dagegen. Von der größten Goldmine Lateinamerikas berichtet Hildegard Willer.
Es ist Markttag in Santa Rosa de Huasmín. In der Gaststätte von Doña Maria nehmen die ersten BesucherInnen ihr Frühstück ein, mehrere Stunden sind sie zu Fuß oder mit dem Pferd von ihren Weilern in das kleine Dorf herabgestiegen, um sich mit dem Monatsbedarf an Salz, Zucker, Öl und Seife einzudecken. Das bitterarme Dorf Santa Rosa de Huasmín liegt drei Stunden auf ungeteertem Holperweg von „Yanacocha“ entfernt, der größten und rentabelsten Goldmine Südamerikas in der Nähe des Andenstädtchens Cajamarca.
Die Bäuerinnen und Bauern von Santa Rosa kennen die Mine bisher nur vom Hörensagen. Bisher, denn nun will Yanacocha – ein Joint Venture zwischen der US-amerikanischen Newmont, dem zweitgrößten Goldproduzenten der Welt, und der peruanischen Buenaventura – sein nächstes Mammutprojekt direkt vor ihrer Haustür aufziehen. In der Hochebene von Conga will das Unternehmen fast fünf Milliarden Dollar investieren, um Kupfer und Gold im großen Stil abzubauen. Nicht nur im Dörfchen Santa Rosa führt das Projekt Conga zu heftigen Diskussionen. Auch Präsident Ollanta Humala dürfte Conga bis heute einige schlaflose Nächte bereiten.
Dabei lief für Ollanta Humala alles wie geschmiert. Gleich nach seinem Amtsantritt Ende Juli 2011 verkündete der ehemalige Militär und Linksnationalist erste Erfolge: den großen Bergbaufirmen hatte er höhere Abgaben abgetrotzt, das Gesetz zur Befragung der indigenen Bevölkerung vor Großprojekten wurde vom Parlament angenommen, der Mindestlohn angehoben. Humala-AnhängerInnen, das heißt, die ärmeren Bevölkerungsschichten, vor allem in den ländlichen Gebieten, jubelten. Aber auch die rechten Wirtschaftskreise revidierten erstmals ihr Feindbild vom peruanischen „Hugo Chávez“, als Humala den neoliberalen Miguel Castilla zum Finanzminister ernannte.
Bis Ende Oktober 2011 der Protest gegen das Conga-Projekt in die Hauptstadt vordrang. Der Regionalpräsident von Cajamarca, Gregorio Santos, hatte sich auf die Seite der protestierenden Bauernschaft gestellt. Gewählt haben den linken Santos von der Kommunistischen Partei „Patria Roja“ nicht die 1,7 Prozent der Bevölkerung von Cajamarca, die in Yanacocha fest arbeiten, auch nicht die 15%, die im Dienstleistungsgewerbe indirekt von der Mine profitieren. Gewählt haben ihn – ebenso wie Ollanta Humala in der Hauptstadt – die 60%, die mit ihrer Subsistenzwirtschaft gerade so über die Runden kommen und von der Goldmine nicht profitieren – im schlimmsten Fall sogar noch Schaden davon tragen. Daran ist nicht nur die Mine schuld. Die Region Cajamarca konnte letztes Jahr nur 67 % des ihr zur Verfügung stehenden Haushaltsbudgets ausgeben, in anderen Regionen und Städten, die hohe Einnahmen aus dem Bergbau erhalten, sieht es nicht besser aus. Viele Provinzregierungen und Kommunen haben aufgrund des Bergbaubooms mehr Geld, als sie sinnvoll verwenden können. Es fehlt ihnen aber an technischer Expertise und Verwaltungskenntnissen. Wenn dann noch Korruption dazu kommt, ist von der Entwicklung, die der Bergbau angeblich bringt, gar nichts mehr zu bemerken.
Dennoch ist das Streitthema in Cajamarca und in ganz Peru weniger die öffentliche Verwaltung als der Knackpunkt „Wasser“. Vier Bergseen würde die 3.000 Hektar umfassende Conga-Mine mit Abraum zuschütten und stattdessen künstliche Staudämme bauen, die den Bäuerinnen und Bauern in der Trockenzeit, so die Minenverwaltung, sogar noch mehr Wasser als bisher zur Verfügung stellen würden. Dass künstliche Wasserspeicher das komplizierte Geflecht unterirdischer Wasseradern ersetzen können, das bezweifelt nicht nur die ansässige Bevölkerung, sondern das bezweifelte auch der erste Umweltminister der Regierung Humalas, Ricardo Giesecke.
Das Umweltgutachten, das Yanacocha vorgelegt hatte, sei doch arg schlampig, gab er im November 2011 bekannt. Der linke Giesecke wurde ausgewechselt –und Premierminister Salomón Lerner, der ein Kabinett aller Ideologien zusammengestellt hatte, nahm daraufhin seinen Hut. Der Innenminister und ehemalige Militär Oscar Valdés wurde zum Premier ernannt. In einer seiner ersten Reden sagte er, dass das Conga-Projekt durchgehen würde. Diese Kampfansage hatte den Abbruch des Dialogs mit der Regionalregierung in Cajamarca zur Folge. Nun soll ein zusätzliches Expertengutachten zum Conga-Projekt der Regierung noch eine Schonfrist bringen, bevor entschieden werden muss. Conga: Ja oder Nein? Das ist die große Frage, die alle bewegt. Einen Kompromiss scheint es nicht zu geben, zumal die Regionalregierung inzwischen ein alternatives Umweltgutachten vorgelegt hat, das eindringlich vor den nicht kontrollierbaren Langzeitfolgen des Mammutprojektes Conga warnt.
„Wenn Conga kommt, dann geht Ollanta“ stand auf einem Protestplakat in Lima zu lesen. An die 10.000 BergbaugegnerInnen aus ganz Peru protestierten am 9. Februar in den Straßen Limas gegen die bergbaufreundliche Politik Humalas und für den Erhalt der natürlichen Ressourcen, zugespitzt im Schlachtruf „Wasser ja, Gold nein“. Der erfolgreiche Protestmarsch wurde von den Hauptstadtmedien totgeschwiegen. Eine Strategie, wie die Regierung Humala mit den Ressourcenkonflikten umgehen möchte, scheint nicht in Sicht. Dabei zeigt gerade der Conga-Konflikt eine neue Qualität: Es sind nicht mehr selbst ernannte Bürgerinitiativen oder kleine Dorfbürgermeister, die aufbegehren. Es sind demokratisch gewählte Regionalpräsidenten, die sich zunehmend ihrer Macht bewusst sind, dass der Reichtum Perus in ihren abgelegenen Gebieten und nicht in der Hauptstadt geschaffen wird.
Conga macht Schule: Bereits verweigert der Regionalpräsident von Tacna die Wasserrechte für die Erweiterung einer Kupfermine im Süden Perus.
In allgemeinen Zahlen ist Humala dennoch beliebt, seine Zustimmungsrate liegt bei über 50%. Die KüstenbewohnerInnen und die reichen Schichten sind inzwischen voll des Lobes über den noch vor einem halben Jahr verteufelten Linksnationalisten. Vielleicht möchten sie auch gar nicht sehen, was der Ressourcenabbau in den abgelegenen Provinzen anrichtet. Sie profitieren nämlich von Perus Goldrausch, fahren neue Autos, kaufen Wohnungen in den neuen Hochhäusern und bevölkern die Einkaufszentren, die nun auch in den ehemaligen Armenvierteln Limas errichtet wurden. Erstmals verreist eine aufstrebende Mittelschicht nicht ins Ausland, um dort illegal zu arbeiten, sondern um in Cancún oder der Karibik einen All-inclusive-Urlaub zu verbringen.
Die Armutsrate ist in Peru in den letzten Jahren um fast 20% gefallen. Dennoch: Humalas Strategie, mit Sozialprogrammen die Menschen davon zu überzeugen, dass die flächendeckende Entwicklung Perus auf die Einnahmen aus dem boomenden Bergbau angewiesen ist, funktioniert nur in den Städten der Küste. In den Abbaugebieten glauben die Menschen schon längst nicht mehr an die Segnungen des Bergbaus. Ein Besuch in Cajamarca zeigt, warum Humalas Konzept der „Sozialen Inklusion“ dort nicht greift.
Sonntags brausen dicke Autos mit Allradantrieb durch die engen Gassen der kolonialen Andenstadt. Einen solchen Wagen können sich in Cajamarca nur die Bergbauleute leisten. Um einen Häuserblock bildet sich derweil eine lange Schlange von Frauen. Sie tragen traditionsgemäß mehrere Röcke übereinander und denselben hohen Strohhut. Es sind Bäuerinnen aus dem umliegenden Distrikt La Encanhada; auch dort will Conga die Erde nach Kupfer und Gold umgraben. Die Frauen sind zu Fuß und in klapprigen Bussen in die Stadt gekommen, um ihre monatliche Sozialhilfe, umgerechnet rund 30 Euro, abzuholen.
Das Sozialhilfeprogramm „Juntos“ ist ein Instrument der „Sozialen Inklusion“, das dank der hohen Bergbauabgaben ausbezahlt werden kann. Die allermeisten Bezieherinnen sehen das jedoch gar nicht so. Sie sind gegen Conga. „Ich merke nur, dass ich weniger Wasser für meine Kühe habe“, sagt eine strickende Frau namens Maria. Ihre 15-jährige Tochter Jenny meint verschämt, dass sie gerne Krankenschwester werden würde. „Aber wir können uns ein Studentenzimmer in Cajamarca nicht mehr leisten“, seufzt die Mutter. Diesen Zusammenhang muss man ihr nicht erklären: dank der gut verdienenden Bergleute sind die Mieten in Cajamarca ins Unerschwingliche gestiegen. Der Bergbau hat in der Realität nicht etwa Inklusion geschaffen, sondern die sozialen und wirtschaftlichen Gegensätze verschärft.
Deshalb geht die Bergbauindustrie in die Offensive. Mit einer groß angelegten Werbekampagne möchte sie die Menschen davon überzeugen, dass Peru ein Bergbauland ist, und jeder Peruaner quasi mit einem Helm auf die Welt kommt. „Dank Yanacocha kann ich lesen“, lächelt ein junges Mädchen von der Hochglanz-Plakatwand am Flughafen. Maria und ihre Tochter, die so gerne Krankenschwester werden möchte, können die Plakate jedoch nicht sehen. Sie waren noch nie am Flugplatz.
Hildegard Willer arbeitet als freie Journalistin und Journalismus-Dozentin in Lima, Peru.
www.hildegard-willer.com
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