Warum die Klimakrise eine Gerechtigkeitskrise ist

Von Lotte Blumenberg · ·
(c) Ivan Radic, CC BY 2.0 Wikimedia Commons

Die deutsche Physikerin und Klimatologin Friederike Otto zeigt in ihrem neuen Buch „Klimaungerechtigkeit“, was die Klimakrise mit Kolonialismus zu tun hat.

Von Lotte Blumenberg

Kapstadt, Frühjahr 2018: In der Metropole geht die Angst vor dem Tag null um, dem Tag, an dem kein Wasser mehr aus den Leitungen kommt. Fast vier Millionen Einwohner:innen, von denen mindestens 1,5 Millionen in Townships leben, sind von der anhaltenden Dürre bedroht.

Der „Day Zero“ in Kapstadt ist nicht eingetreten, aber die Ereignisse dienen als Warnung für die Zukunft. Mit diesem und anderen Beispielen macht die deutsche Physikerin und Klimaforscherin Friederike Otto in ihrem Buch „Klimaungerechtigkeit“ deutlich, wer besonders betroffen ist von Extremwetterereignissen. Sie liefert Fakten, verweist auf viele Quellen und verknüpft die Klimakrise und ihre Folgen mit Kapitalismus, Rassismus und Sexismus.

Fossile Konzerne am Pranger

Hitze, Dürre, Feuer und Flut: Für jedes Extremwetter greift die bekannte deutsche Physikerin und Klimawissenschaftlerin zwei Beispiele aus den vergangenen Jahren auf. Von der Hitzewelle in Kanada, über die Dürre in Südafrika bis zur Flutkatastrophe im deutschen Ahrtal: Otto geht es besonders um die Folgen für die betroffenen Menschen.

Für die Autorin ist die Klimakrise „ein Symptom der globalen Krise der Ungleichheit und Ungerechtigkeit, nicht ihre Ursache“. Ungleichheit sei noch immer stark mit dem Kolonialismus verknüpft und unser Handeln werde bis heute von der Ausbeutung von Natur und Menschen bestimmt. Sie stellt fossile Konzerne an den Pranger, deren Kampagnen die Menschen ermutigen würden, weiter Gas und Öl zu verbrennen. Glaubenssätze wie, dass ein Auto unverzichtbar sei, hätten mehr mit der Autolobby zu tun als mit unseren innersten Bedürfnissen.

Schlechte Infrastruktur für Wetterdienste

Als konkretes Beispiel, wie sich die Ungleichheit manifestiert, nennt Otto unter anderem die schlechte Ausstattung von Wetterdiensten in vielen afrikanischen Ländern. Hitzedaten oder Hitzewellen würden nicht systematisch erfasst. Offiziell gibt es daher kaum Hitzetote und somit weder ein Bewusstsein dafür, wie gefährlich Hitze sein kann, noch Hitzeschutzmaßnahmen für die Bevölkerung. Globale Datenbanken für Hitzedaten seien Teil des Problems, da sie größtenteils in Ländern des Westens geführt und ausgewertet werden. An den Folgen der Klimakrise sterben somit „diejenigen, die wenig Geld haben und sich nicht ohne Weiteres ausreichend mit Informationen versorgen können“, schreibt die Klimaforscherin.

Neue Narrative dringend gesucht

Der Klimawandel sei kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken, sondern ein Anlass, gemeinsam Dinge zu ändern. Damit das gelingen kann, plädiert Otto für neue Narrative und bessere Geschichten, „als die von der Angst vor den Kipppunkten, des Nie-mehr-Fliegens oder des Zurückdrehens der Globalisierung”. Die Historikerin und Aktivistin Rebecca Solnit habe ein solches neues Narrativ geschaffen, mit ihrem Gedanken, die Geschichte andersherum zu erzählen: „dass unser jetziges Leben voller Härten und Entbehrungen ist und Reichtum und Überfluss erst noch kommen werden”. Sinnvolle Maßnahmen gegen den Klimawandel würden der großen Mehrheit der Menschen ein besseres Leben als heute ermöglichen.

Lotte Blumenberg schreibt als freie Journalistin u.a. über Ungleichheit, Rassismus und Feminismus. Sie hat Politikwissenschaft und Internationale Entwicklung studiert und lebt in Wien.


Friederike Otto: Klimaungerechtigkeit. Was die Klimakatastrophe mit Kapitalismus, Rassismus und Sexismus zu tun hat. Ullstein Hardcover 2023, 336 Seiten, 24,50 Euro

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