Kettly Mars
Roman. Aus dem Französischen von Ingeborg Schmutte. Litradukt, Trier 2013, 124 Seiten, EUR 12,90
Haiti, Anfang 2011: Fito könnte als Erfolgsautor und Architekt ein ruhiges Leben führen, wäre da nicht eine dunkle Seite seiner Persönlichkeit, die er in Canaan, einem Lager für Erdbebenopfer, auslebt. Dort leben in Notunterkünften über 80.000 Menschen: Gewalt, Drogenhandel und Prostitution sind allgegenwärtig. Der Besuch von Tatsumi, einer japanischen Journalistin, bringt ihn dazu, sich seinen traumatischen Erlebnissen zu stellen.
Kettly Mars, geboren 1958 in Port-au-Prince, ist eine der wichtigsten haitianischen Gegenwartsautorinnen. Mars widmet sich in ihrem neuen Roman einer humanitären Katastrophe, die in den Medien schon wieder vergessen ist. Vor drei Jahren verloren 300.000 Menschen durch das Erdbeben ihr Leben, 1,6 Millionen wurden obdachlos und noch immer leben fast 360.000 Flüchtlinge in Lagern und Notunterkünften.
Am Beispiel einer Handvoll Menschen beschreibt Mars, wie die Interventionen aus dem Ausland, darunter das wenig durchdachte und von einem namenlosen Hollywoodstar initiierte Flüchtlingsprojekt sowie die Cholera-Epidemie, allmählich ins Desaster führen.
Ihre detaillierte Beschreibung des Lagers und der Lebensumstände im heutigen Haiti lassen die LeserInnen tief in die Lebenswelt der Hauptfigur eintauchen. Dazu zählen auch die „Seitenhiebe“ auf die Aktivitäten der karitativen Organisationen vor Ort und die interkulturelle Koexistenz von Einheimischen und NGO-MitarbeiterInnen und JournalistInnen aus aller Welt. Allerdings mutet die Lösung, dass sich Fito seiner Dämonen durch seine schriftstellerische Tätigkeit entledigen soll, in einem Land mit einer Analphabetenrate von über 47 % kurios an. So sieht aber wohl auch die Autorin ihre Aufgabe und will mit ihren Büchern kritischen LeserInnen Haiti verständlich machen.
Kein Sachbuch, aber ein Roman mit viel Realitätssinn, der durch seine kurzen, gut recherchierten Kapitel zum Nachdenken anregt.
Sabine Klapf
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