Wahlkampf is‘! Gefühlt tagtäglich werden wir mit Fantasiebildern und vermeintlichen Werten, sowie oberflächlichen Slogans konfrontiert, die aber durchaus Kratzer auf gesellschaftlicher Ebene hinterlassen können.
Ende März ging die ÖVP mit einer neuen Social Media-Kampagne online: Sie erinnern sich? Das war die mit der Leit-kultur (mit Bindestrich!), den „Werten“ und dem Slogan „Von den Leuten für die Leit – Leit-Kultur eben!“. Damit sprach sich die Partei, die laut Sonntagsumfragen diverser Institute zur Nationalratswahl 2024 zu dem Zeitpunkt auf gerade einmal auf 19 bis 22 Prozent kam, für „Integration durch Anpassung“, „Gleiche Rechte für Mann und Frau“, „Meinungsfreiheit und Demokratie“ und „Tradition und Brauchtum“ aus.
Letzteres, mit dem Sujet einer Blasmusikkapelle, wurde allerdings kurz darauf wieder offline genommen – wohl auch nicht zuletzt, weil sich der Österreichische Blasmusikverband öffentlich von der Kampagne distanzierte.
Man muss man sich bei solchen Vorstößen politischer Parteien am besten immer gleich fragen, ob man sich von ihnen suggerieren lassen will, dass sie uns etwas vorschreiben können.
Um wenn wir dennoch näher hinschauen beim Beispiel „unsere“ Leitkultur – fragen wir uns doch erst einmal: Gibt es denn eine solche unter denen, die sich als Österreich:innen verstehen? Und selbst wenn, beinhaltet sie die Werte, die von einer oder zwei Parteien propagiert werden? Und wer ist mit „wir“ überhaupt gemeint? Nicht doch auch die fast 30 Prozent der Menschen, die selbst oder deren Eltern nach Österreich eingewandert sind? Haben die nicht genauso wie alle anderen ein Recht auf ihre Kultur?
Falsche Vorstellungen. Und wenn wir diese eine Leitkultur nicht haben, was wären denn unsere Wünsche dafür? Bei einer Umfrage für ein Ö1-Journal im März kamen von befragten Bürger:innen u. a. Antworten wie: Grüßen, „Bitte“ und „Danke“ sagen; dass Eingewanderte sich anpassen. Und Gleichberechtigung von Mann und Frau.
Verständlich, dass man sich etwas wünscht, wenn es noch nicht da ist. Weder sagen alle Menschen in diesem Land Bitte und Danke, noch grüßen sich alle (zum Glück, zumindest in der Stadt). Und das mit Frau und Mann haben wir auch noch nicht auf die Reihe bekommen. Weder, was die bezahlte und noch weniger, was die unbezahlte Arbeit betrifft.
Miteinander leben lernen. Diese Wünsche, die wohlgemerkt nicht gleich Werte sind, entsprechen eher dem Bedürfnis ein achtsames, friedliches Miteinander zu leben. Das geht aber nur gemeinsam, vom multikulturellen „Wir“, das wir schon längst sind – und zwar ganz abseits davon wie es die eine oder die andere Partei als bedrohliches Zukunftsszenario darstellt. Ein „Wir“, das zum Teil einfach weg- oder abgeschoben werden kann.
Bemühen wir uns doch vielmehr möglichst konfliktfrei miteinander leben zu lernen, auch im Wahlkampf.
Für die kommenden Wochen und Monate sollten wir uns nicht dazu verführen lassen, uns polemisierenden Kampagnen und Diskussionen einzelner Möchtegern-Wortführer:innen hinzugeben, sondern bei unseren eigenen Wünschen bleiben, über diese nachdenken und ihnen Ausdruck verleihen – in unserem Umfeld und nicht zuletzt am Wahlzettel.
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