Wogegen sind die GlobalisierungsgegnerInnen?
Seit Seattle wurde der Begriff hauptsächlich unter Gleichgesinnten immer gebräuchlicher. Anlässlich der (gescheiterten) WTO-Ministerkonferenz im Herbst 1999 war es in der Stadt im Nordwesten der USA zu Massenprotesten von GlobalisierungsgegnerInnen gekommen.
Doch jetzt ist es höchste Zeit, diesen Begriff über Bord zu werfen. GlobalisierungsgegnerInnen im Sinne des Wortes sind die DemonstrantInnen (gemeint sind nicht die Polit-Hooligans) wohl kaum. Wer will das Internet abschaffen, die internationale Reisefreiheit beschränken, den Welthandel verbieten ?
Globalisierung geschieht. Aber unter welchen Bedingungen und mit wessen Spielregeln? Die Proteste richten sich gegen die Weltherrschaft großer Konzerne und stets gegen Institutionen, die von allen finanziert und von ganz wenigen kontrolliert werden, die viel zu wenig oder keine Mitsprache bei oft weltbewegenden Entscheidungen zulassen ob sie jetzt EU, Internationaler Währungsfonds oder Welthandelsorganisation heißen. Ist nicht Demokratie in den westlichen Industriestaaten zumindest verkündeter oberster politischer Wert, den wir so gerne von den Staaten in der Dritten Welt einfordern?
Die GlobalisierungsgegnerInnen sind also Demokratie-BefürworterInnen, die sich die Politik zurückerobern und die Zukunft der Welt mit konkreten Forderungen mitgestalten wollen. Die französische Bestseller-Autorin Viviane Forrester (Der Terror der Ökonomie) bezeichnet es im Wirtschaftsmagazin trend schlicht als stalinistisch, glauben zu machen, es gäbe keine politische Alternative zum Ultraliberalismus.
Der Entwurf für ein neues Gesetz zur Entwicklungszusammenarbeit sorgt hierzulande derzeit für heftige Reaktionen (siehe Artikel Seite 11). Einer der Kritikpunkte ist das Fehlen einer Festschreibung des Zieles, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen. Genau diese Forderung will Franz Nuscheler in seinem Kommentar auf Seite 32 endlich abgeschafft wissen. Damit schlachtet er gleichsam eine heilige Kuh. Es gibt gute Argumente dafür, diese Forderung keinesfalls aufzugeben und nicht vor der Realpolitik zu kapitulieren. Politik braucht Visionen. Und die haben oft keine gute Konjunktur in der Tagespolitik. Entwicklungspolitik ist ohnehin ein Stiefkind der Politik, und die breite Masse der Bevölkerung muss in mühevoller Bewusstseinsarbeit von ihrer Bedeutung überzeugt werden.
Doch Franz Nuscheler ist nicht der österreichische Finanzminister, sondern ein renommierter Wissenschaftler und seit kurzem auch Mitglied des Beirates für Entwicklungspolitik in Österreich. Wir halten seine Argumentation in dieser Frage für diskussionswürdig. Schreiben auch Sie uns Ihre Meinung dazu. Gerne bieten wir mit dem SÜDWIND-Magazin die Plattform für diese spannende Diskussion.
Das gesamte SÜDWIND-Team wünscht Ihnen angeregte Lektüre dieser Doppelausgabe und einen erholsamen schönen Sommer bis zum Wiederlesen Anfang September.
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