Die so genannten „Wirtschaftlichen Partnerschaftsabkommen“ der Europäischen Union liegen nicht im Interesse Afrikas, auch wenn die EU diese Verträge als Mittel zur Armutsbekämpfung verkaufen will, meint Herbert Jauch.
Seit 2004 verhandelt die EU mit den AKP-Ländern (zur Zeit 79 meist ehemalige Kolonialstaaten in Afrika, der Karibik und der Pazifikregion) ein Freihandelsabkommen, welches das Cotonou-Abkommen aus dem Jahr 2000 ersetzen soll. Diese neuen Vereinbarungen werden als „Wirtschaftliche Partnerschaftsabkommen“ (Economic Partnership Agreements, EPAs) bezeichnet, obwohl von Partnerschaft überhaupt keine Rede sein kann. Sowohl inhaltlich als auch in der Vorgehensweise spielt sich die EU als imperiale Macht auf, die die AKP-Staaten zur Unterzeichnung zwingen will. Das Beispiel des südlichen Afrika, im besonderen Namibia, zeigt deutlich, welche substanzielle Gefährdung für die wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten diese Abkommen darstellen.
Am 19 Mai d.J. warnte Namibias Handels- und Industrieminister Hage Geingob: „Kein Abkommen ist besser als ein schlechtes Abkommen.“ Namibia hat sich, wie auch Angola und Südafrika, bisher geweigert, das „Interims-EPA“ zu unterzeichnen, weil dies u.a. das Ende der Exportsteuer für unverarbeitete Rohstoffe bedeuten würde. Außerdem würde Namibias Fortschritt im Landwirtschaftsbereich hinsichtlich Ernährungssicherheit durch das Abkommen gefährdet, so der Minister.
Zwanzig Jahre nach der Unabhängigkeit ist Namibia nach wie vor überwiegend globaler Lieferant vieler Rohstoffe, während im Land selbst kaum Verarbeitung stattfindet. Die Arbeitslosigkeit liegt bei über 50 Prozent. Das EPA würde nun zusätzlich auch das Ende des Schutzes für neu entstehende verarbeitende Industrien bedeuten, wie z.B. die Erzeugung von Teigwaren und Milchprodukten. Diese wären dann schonungslos der Konkurrenz durch subventionierte EU-Produkte ausgesetzt.
Das „Partnerschaftsabkommen“ würde den namibischen Markt für EU-Waren wie Milch, Butter, Schokolade, Wein, Bier, Reis, Weizenprodukte und andere Landwirtschaftsprodukte weiter öffnen. Einen Vorgeschmack darauf hat Namibia bereits seit 2004 bekommen, nach der Unterzeichnung eines „Handels- und Entwicklungsabkommens“ zwischen Südafrika und der EU. Daraufhin kamen subventionierte EU-Güter über Südafrika nach Namibia. Das Abkommen hat für die EU nicht nur den südafrikanischen Markt geöffnet, sondern gleichzeitig auch den jener Nachbarstaaten, die mit Südafrika der Südafrikanischen Zollunion (SACU) angehören: Botswana, Lesotho, Swaziland und Namibia.
Die EPAs würden diese Situation noch verschärfen und die gesamte Südafrikanische Zollunion in Gefahr bringen. Während des letzten Jahrzehnts haben die Mitgliedstaaten der SACU zwischen 20 und 60% ihres Budgets aus dieser Zollunion erwirtschaftet. Weitere Handelsliberalisierungen würden diese Einnahmenquellen verschließen. Die fünf SACU-Länder wollen daher lieber ein gemeinsames Abkommen mit der EU, das ihre Zollpolitik respektiert. Brüssel versucht nun über die alte „Teile und herrsche-Strategie“, die eigenen Interessen durchzusetzen. Auf enormen Druck der EU (einschließlich der Drohung, den EU-Markt für Exportgüter aus dem südlichen Afrika zu schließen) haben Botswana, Lesotho und Swaziland Mitte 2009 ein Interims-EPA unterzeichnet. Namibia und Südafrika weigern sich weiterhin. Durch diese Spaltung hat die EU die Zollunion faktisch zerschlagen.
Die Staatschefs der fünf Länder trafen sich im vergangenen April in Namibia, um die Zukunft der Zollunion zu diskutieren. Es wurde der Entschluss gefasst, die Abkommen nicht umzusetzen, bis die offenen Fragen und Streitpunkte geklärt sind. Diese wurden schon im Vorjahr bei einem Treffen mit der Handelskommissarin Catherine Ashton angesprochen. Als die afrikanischen Länder dieses Jahr ein Gespräch mit ihrem Nachfolger Karel De Gucht suchten, wurde diese Anfrage einfach abgelehnt.
Die SACU-Staaten wollen Klarheit von der EU, wie lange die Interims-EPAs in Kraft bleiben sollen, bevor sie von endgültigen EPAs abgelöst werden. Brüssel will dazu jedoch keine klare Stellungnahme abgeben und versucht, weiter Druck auf einzelne Regierungen auszuüben. Ein weiteres Treffen der SACU-Länder ist für den 18. Juni in Gaborone, Botswana, geplant. Dort soll dann eine Entscheidung bezüglich der EPAs fallen.
Zivilgesellschaftliche Organisationen in Namibia und Südafrika haben wiederholt auf die Gefahren der „Partnerschaftsabkommen“ hingewiesen. Das von der EU vertretene Prinzip der Reziprozität hat angesichts der enormen Ungleichheiten zwischen Afrika und der Europa verhängnisvolle Auswirkungen und ist nur zum Vorteil für die europäischen Unternehmen. In diesem Punkt gibt es eine ungewöhnlich große Übereinstimmung zwischen namibischen Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen, privaten Unternehmen und der Regierung.
Solidarische Organisationen in Europa teilen seit Jahren die Kritik an den EPAs. Es ist Zeit, diese Abkommen zu stoppen, bis durch Verhandlungen eine Regelung gefunden wird, die Afrikas Interessen respektiert. Das arrogante Auftreten einiger EU-VertreterInnen während der Verhandlungen kann nicht länger toleriert werden. Zu einer echten Partnerschaft gehört wohl als elementarster Baustein die Anerkennung der Interessen der anderen Seite.
Das NGO-Forum Africa Trade Network hat eine internationale Kampagne gegen die EPAs initiiert und setzt sich für soziale, wirtschaftliche und ökologische Alternativen ein: www.stopepa.de
Der in Deutschland geborene und aufgewachsene Autor ist Gründungsdirektor des gewerkschaftlichen Arbeitsforschungsinstitutes LaRRI in Windhoek, Namibia. Er arbeitet heute als Arbeitsforscher und ist an zahlreichen Arbeiterbildungsprogrammen im Südlichen Afrika sowie an der Kampagne für ein Grundeinkommen in Namibia beteiligt.
Herbert Jauch besuchte im vergangenen April auf Einladung mehrerer Organisationen, darunter auch des Vereins Südwind, Österreich, Deutschland und die Schweiz.
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