Darwin’s Nightmare“ wurde beim diesjährigen Filmfestival in Venedig ausgezeichnet und lief bei der Viennale im Wiener Gartenbaukino vor ausverkauftem Haus. Im Dezember wird Hubert Sauper in Barcelona der European Film Award für den besten Dokumentarfilm 2004 verliehen, was ihn in eine Reihe mit international so populären FilmregisseurInnen wie Wim Wenders und Agnès Varda stellt. Der in Paris lebende Filmemacher aus Tirol landete mit „Darwin’s Nightmare“ einen Erfolg, der ihn, wie er zugibt, „freut, aber nicht überrascht“. Schließlich steckt viel Arbeit, Zeit und künstlerische Professionalität in dem Projekt.
Der Film dreht sich um das Geschäft mit dem Victoriabarsch, Schauplatz ist die tansanische Stadt Mwanza am Victoriasee, dem zweitgrößten Süßwasserreservoir der Welt. Der ursprünglich im Nil heimische Raubfisch wurde in den 1960er Jahren im Victoriasee angesiedelt, verdrängte andere Arten und wurde als Speisedelikatesse zum Exportschlager. Täglich werden tonnenweise Fischfilets in europäische Industrieländer geflogen. Im Austausch liefern ehemals sowjetische Frachtflugzeuge Waffen, was ein Pilot am Ende des Films offenbart. Lokale Fischer, Weltbank-Akteure, Straßenkinder, afrikanische Minister, EU-PolitikerInnen, tansanische Prostituierte und russische Piloten – die Fischindustrie hat eine globalisierte Allianz geschaffen, die Sauper mit seinem Film durchleuchtet. Dabei gilt sein Interesse „nicht der Erfolgsgeschichte, die nur die allerwenigsten der Einheimischen betrifft, sondern jenen, die nach Mwanza kommen, um hier ein wenig mitzuprofitieren“ (Der Standard).
Der technische Aufwand war vergleichsweise gering, der zeitliche und wohl auch physische und emotionale umso größer. Beinahe vier Jahre hat Sauper an dem Projekt gearbeitet, für die Dreharbeiten war er mit einer kleinen Kamera und seinem Reisegefährten Sandor in Tansania unterwegs. Vor Ort konnten die beiden nicht als Filmteam auftreten, sondern schlüpften in verschiedene Verkleidungen und Identitäten: Um mit russischen Frachtflugzeugen fliegen zu können, gaben sie sich als Frachtmeister aus, in Dörfern wurden sie für Missionare gehalten, in Fischfabriken für Hygienekontrolleure der EU. Trotz der ausführlichen und zum Teil gefährlichen Recherchen geht es Sauper aber nicht darum, etwas aufzudecken. Er will „Sachen, die man ohnehin weiß, in eine filmische Form bringen“.
Was man ohnehin weiß, ist in diesem Fall der „Wahnsinn“ (Sauper) einer globalen Aufteilung von Macht und Ressourcen, die Millionen von Menschen an den Rand schiebt, wo sie, wie der Regisseur es schlicht ausspricht, „ohne Stimme eingehen“. Er findet dafür eine Form, die sich möglichst nah an einzelnen Personen bewegt. Sie repräsentieren in „Darwin’s Nightmare“ die Komplexität des Systems und sind für den Regisseur „das eigentliche Rätsel“.
Der Film ist derzeit auf zahlreichen internationalen Festivals in Europa zu sehen und wird nächstes Jahr auch beim Filmfestival in Sansibar gezeigt. In Österreich kommt er am 21. Jänner ins Kino.
Infos auf
www.darwins-nightmare und
www.filmladen.at