Vom Schürfen zum Schleifen

Von Robert Poth · · 2008/11

Länder im südlichen Afrika wie Botswana und Namibia sind dabei, eine eigene Diamantenindustrie aufzubauen – mit einigen Erfolgschancen. In Südafrika ging der Schuss vorerst nach hinten los.

Was derzeit in Botswana abläuft, wäre vor zehn Jahren noch unvorstellbar gewesen: Im März wurde das Gebäude der Diamond Trading Company Botswana (DTCB) in der Hauptstadt Gaborone eröffnet, ein 50:50-Gemeinschaftsunternehmen des südafrikanischen Diamantenriesen De Beers und der Regierung. Der 83 Mio. US-Dollar teure Bewertungs- und Sortierungsbetrieb ist die größte und modernste derartige Einrichtung weltweit. Die DTCB vermarktet einen Teil der einheimischen Produktion, die derzeit zur Gänze von Debswana stammt (ebenfalls ein Joint Venture mit der Regierung), an 16 ausgesuchte Firmen aus aller Welt, u. a. aus Indien und Israel. Aber nicht ohne Weiteres: Sie mussten sich verpflichten, Diamantenschleifbetriebe in Botswana zu errichten, ihr Know-how mitzubringen und für die Ausbildung des Personals zu sorgen.
Der derzeit größte Investor, die indische Eurostar Diamonds, ist seit 2004 vor Ort. Eurostar beschäftigte im März rund 460 MitarbeiterInnen und schliff rund 1.000 Steine pro Tag; eine Expansion auf 1.000 Beschäftigte ist geplant. Der Grundstein für eine nationale Schleifindustrie ist gelegt. Nicht nur das: De Beers wird ab 2009 auch den Großteil seiner weltweiten Rohdiamantenproduktion in Gaborone vermarkten und nicht mehr in London. Botswana, mit einem Wertanteil von mehr als 20% das wichtigste Diamantenexportland der Welt, wird damit auch zum Geschäftszentrum der Branche überhaupt.

Dafür zu sorgen, dass der Anteil der lokalen Wertschöpfung steigt, heißt in der Branche „Beneficiation“ – ein Begriff, der eigentlich den Prozess der Herauslösung von Mineralien aus geförderten Erzen beschreibt. Tatsächlich werden in allen Diamantenländern Afrikas analoge Ziele verfolgt – in Angola etwa unter tatkräftiger Mitwirkung der israelischen Lev Leview Group. Ebenso in Namibia, wo die Namibia Diamond Trading Company (NTDC) elf Firmen Zugang zur Produktion der Namdeb, des lokalen De Beers Joint Venture mit der Regierung in Windhoek, ermöglicht hat – zu gleichartigen Konditionen wie in Botswana.
Doch vor allem: De Beers unterstützt diese Industrialisierungsziele „zur Gänze und mit großem Einsatz“, wie Konzernmanager Gareth Penny betont. Das ist erstaunlich. Eine Rückblende: Im Oktober 1997, in einem Londoner Konferenzsaal, rief David Magang, damals Botswanas Minister für Bodenschätze, Energie und Wasserwirtschaft, zum Aufbau einer international wettbewerbsfähigen Schleifindustrie auf und fügte hinzu, Botswana werde nicht die Last akzeptieren, als „Swing Producer“ und „Pufferlager“ der Branche zu dienen.
Das war eine öffentliche Herausforderung der – damals gegenteiligen – Politik von De Beers, „Meuterei“, schrieb Chaim Even-Zohar vom israelischen Fachjournal Diamond Intelligence Anfang September, und „politischer Selbstmord“ angesichts der Position des Konzerns im Land. Am Tag des Vereidigung des neuen – und aktuellen – Präsidenten, Festus Mogae, am 1. April 1998, wurde Magang entlassen und mit einem anderen Ministeramt betraut, wie sich Even-Zohar erinnert.

Hintergrund für diesen radikalen Wandel ist zweifellos eine Machtverschiebung im Diamantengeschäft. Es begann mit dem Ende der monopolartigen Kontrolle von De Beers über den Zugang zu Rohdiamanten, durch neue Lagerstätten und neue Akteure in Australien (Rio Tinto/Argyle), Kanada und Russland (Alrosa), gefolgt vom Problem der „Konfliktdiamanten“ aus afrikanischen Bürgerkriegsländern wie Angola, Sierra Leone und Liberia, die jahrelang auf die Diamantenpreise drückten.
Schließlich kam die in den letzten Jahren ständig wachsende Nachfrage hinzu: Erstmals seit Ende des 19. Jahrhunderts, so Robert Gannicott, Chef der kanadischen Harry Winston Diamond Corporation, unterhalten Produzenten keine Rohdiamantenlager mehr. Auch wenn Diamanten noch nicht knapp sind, sie könnten es jedenfalls werden. Lagerstätten gehen absehbar zur Neige, Exploration und Erschließung neuer Vorkommen erfordern hohe Investitionen, weshalb das zukünftige Angebot unsicher ist – im Unterschied zur Nachfrage: Allfällige Verluste in reifen Märkten, so die Prognosen, dürften durch steigenden Absatz vor allem in Asien mehr als kompensiert werden.
Damit hat sich die Position der Regierungen von Ländern mit Diamantenvorkommen verstärkt. Naheliegendes Motiv für die Branche, die afrikanischen Ziele zu unterstützen, ist daher ein gesicherter Zugang zum Rohstoff. Dies gilt auch für De Beers – erst 2006 wurden die Konzessionen für die Minen Botswanas langfristig verlängert. Ob es allerdings tatsächlich sinnvoll ist, im Schleifgeschäft gegen die etablierte Konkurrenz in Indien, Israel oder Belgien anzutreten, ist eine andere Frage.

Indien hat in den letzten Jahrzehnten eine dominante Position erobert – rund 90% aller Steine (in Karat liegt der Anteil bei 85%) werden dort geschliffen, vor allem in Surat nördlich von Mumbai. Insgesamt beschäftigt die Branche in Indien rund eine Million Menschen, das Exportvolumen stieg zuletzt auf ca. 13 – 14 Mrd. Dollar. Ein Grund sind die niedrigen Lohnkosten. In Südafrika wurden die Schleifkosten pro Karat 2006 auf 40 bis 70 Dollar geschätzt, in Botswana sollen sie 50 Dollar betragen; in Indien dagegen bloß zehn bis zwölf Dollar und in China 20 – Relationen, die sich seither kaum verbessert haben dürften.

Nach einer Faustregel sollte das Schleifen nicht mehr als zehn Prozent des Werts des Steins kosten. Je höher die Schleifkosten, desto wertvoller müssen die Steine sein. Das setzt dem Ausmaß einer Markteroberung durch afrikanische Produktion enge Grenzen. Nach Branchenschätzungen bleiben damit – in Karat – nur 5% der weltweiten Produktion übrig, dem Wert nach allerdings mehr. Der Großteil der kleineren Steine wird daher wohl weiter in Indien bearbeitet werden. Und doch, so Prognosen der Unternehmensberatung KPMG, dürfte der indische Anteil am Diamantenschleifgeschäft von 2006 bis 2015 dem Wert nach von 57 auf 49 Prozent sinken.
Ziehen alle an einem Strang und passieren keine Fehler, sollte zumindest Botswana ein gewisser Erfolg garantiert sein. Was kann sich ein Land schon Besseres wünschen, als den größten Akteur der Branche mit seinem ganzen Gewicht hinter sich zu wissen? Genau das aber ist im benachbarten Südafrika, das ähnliche Ziele verfolgt, bisher nicht der Fall. Im Februar 2008 wurde mit dem State Diamond Trader (SDT) ein Staatsunternehmen gegründet, das anstelle des De Beers-Unternehmens Diamdel zehn Prozent der Diamantproduktion ankaufen und an die lokale Industrie vergeben sollte.

Die privaten Diamantenproduzenten scheinen nicht begeistert. Der STD wurde – außer von De Beers – nicht oder nur schleppend versorgt, hätte den Ankauf jedoch mangels ausreichender Mittel ohnehin nicht vorfinanzieren können. Zudem darf der SDT nur Firmen beliefern, die „Black Economic Empowerment“-Bedingungen erfüllen – bestimmte Eigentums- und Beschäftigungsanteile. Das gelingt vielen traditionellen, kleinen Familienbetrieben nicht. Keine Rohdiamanten, kein Schleifen: Die United Diamond Association of South Africa (UDASA) beklagt den Verlust von bereits 1.500 Arbeitsplätzen und drohte Anfang Oktober, die Regierung auf „hunderte Millionen Rand“ zu verklagen. Viele Betriebe sperren zu oder wandern ab, nach Mauritius, Namibia oder Botswana – des einen Leid, des andern Freud. Die Entscheidung über die Zukunft des SDT wurde nun auf nach September 2009 verschoben.

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