Stichwort Schönfärberei: Wie die Unternehmen sich weiße Westen oder grüne Mäntelchen anziehen und schließlich auch noch unser Gehirn waschen.
Die Zeiten, als ein Waschmittel mit der Behauptung punkten konnte, es wasche die Wäsche noch weißer als die Produkte anderer Firmen, sind längst vorbei. „The age demands its image“, dichtete Ezra Pound vor mehr als einem halben Jahrhundert: die Zeit verlangt ihr Abbild. Damals verlief der Prozess des Zeitenwechsels allerdings noch wesentlich langsamer als in unserer Hochgeschwindigkeitsepoche. Für weiße Westen nützt heute auch kein Waschpulver mit Anti-Grau-Formel oder XXL-Power; die Produzenten und Werbetexterinnen müssen sich da schon einen anderen Schmäh einfallen lassen. Wie froh bin ich, einen Leitartikel schreiben zu können, statt mir den Kopf über attraktive Werbeslogans zu zerbrechen!
Aber blöd sind sie ja nicht, die UnternehmensstrategInnen und PR-ManagerInnen. Sie schaffen es sogar, uns für blöd zu verkaufen. Wir kaufen keine Produkte mehr, sondern eine Lebensweise, Entschuldigung: einen Style – und damit auch ein Stück Individualität, Anderssein, ja sogar Überlegenheit. Und so werden plötzlich alle Trägerinnen und Träger von Nike-Artikeln – es kann aber auch Reebok oder Adidas sein, ich habe noch keinen Vertrag mit Nike – zu Mitgliedern einer exklusiven Gesellschaft, die das Ziel eint, das Leben der Menschen durch Sport und Fitness zu verbessern. Und diese Mitgliedschaft hat ihren Preis, den wir gerne bezahlen. Die Marke ist kostbar. In der Weltrangliste der wertvollsten Marken führt Apple mit 153 Milliarden US-Dollar, Google bringt es immerhin noch auf 111,5 Milliarden.
Wenn da nur nicht diese modernen Nihilisten wären, diese Markenschänder, die selbst beim grünsten, beim verantwortungsvollsten Unternehmen noch einen Zulieferer finden, der manchmal vergisst, seinen ArbeiterInnen die Überstunden auszuzahlen. Reinste Geschäftsschädigung. Doch die Zeiten, in denen man kritische Stimmen noch vor den Kadi zerren konnten, sind auch schon vorbei – die Anklagen wirken ja heute wie ein Boomerang. Da bleibt nur die Schönfärberei. Die Konzernherren erkannten, dass sie sich ein umweltfreundliches und verantwortungsvolles Mäntelchen umhängen müssen, und sie schritten zur Tat. „Lidl lohnt sich“, verkündet der erfolgreiche Discounter – ohne anzumerken, für wen. Aldi (Hofer) philosophiert: „Verantwortung ist die Antwort!“ Da ist ja KiK noch vergleichsweise ehrlich: „Unsere aktuelle Werbung macht Lust auf den nächsten Einkaufsbummel.“
Doch ist es auch lustvoll, wenn mann oder frau für blöd verkauft wird? Ist Gehirnwäsche geil? „Empört euch!“, „Engagiert euch!“, ruft uns der 94-jährige Stéphane Hessel zu. Stimmt, es gibt so viele Dinge in unserer Gesellschaft, die Empörung provozieren. Wo soll man anfangen mit dem Widerstand? Eine schwierig zu beantwortende Frage. Aber es wäre schon viel gewonnen, wenn wir die Autonomie über unser Gehirn zurückgewinnen könnten. Wenn wir der subtilen alltäglichen Gehirnwäsche durch Markt und Politik ein entschlossenes „Es reicht!“ entgegensetzen. Und wenn wir dann mit dieser Entschlossenheit von der Empörung zum Engagement voranschreiten – und auf diesem Weg vielleicht so nebenbei entdecken, dass wir nicht 15 kg Textilien im Jahr einkaufen müssen, dass die Marken und die grünen und sozialen Mäntelchen ein Verkaufstrick sind, dass wir mit viel weniger eigentlich auch ganz gut leben können.
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