Manfred Nowak war Ende 2008 als UN-Sonderberichterstatter für Folter in Äquatorialguinea. Mischa G. Hendel sprach mit ihm über systematische Folter, eine Polizei, die sich vor Kritik sicher fühlt, und die Verantwortung der Wirtschaftspartner.
Südwind: Wie beschreiben Sie die Arbeit vor Ort in Äquatorialguinea?
Manfred Nowak: Zu den Bedingungen von Menschenrechtsbeobachtung gehört, alle Haftorte unangekündigt besuchen und vertrauliche Gespräche mit Häftlingen führen zu können – die ich mir aussuche. In Äquatorialguinea war jedoch der Zutritt zu Militäranlagen unmöglich. Weiters konnte ich zwar die Polizei-Hauptquartiere in Malabo und Bata besuchen und hatte auch Zugang zu den Häftlingen. Aber als ich das zweite Mal kam, um zu überprüfen, ob Gefangene Repressalien ausgesetzt waren, gab es Schwierigkeiten – bis hin zu schweren Drohungen. Die Kooperation wurde auch stark reduziert, als die Verantwortlichen gemerkt haben, dass ich meine Untersuchungen effizienter als erwartet durchführe und Beweise sichern konnte. Die Sicherheitsverwaltung wies meinen ersten Bericht sofort zurück. Auch wurden Dinge in Frage gestellt, die ich zuvor dokumentiert hatte.
Gibt es Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die vor Ort arbeiten, beziehungsweise permanente Menschenrechtsbeobachtungen?
Nein. Es gibt in Äquatorialguinea keine wirkliche Zivilgesellschaft, keine NGOs im Menschenrechtsbereich. Selbst das Rote Kreuz hat sich zurückgezogen. Es gibt also keinen Zugang zu Haftstätten durch unabhängige Beobachter.
Wird in Äquatorialguinea gefoltert?
Von der Polizei, im Wesentlichen zur Erpressung von Geständnissen. Das ist die klassische Form der Folter mit Elektroschocks, Schlägen, etc. Eine ziemlich brutale Foltermethode ist das „Ethiopian Hanging“. Der Gefangene wird zwischen zwei Tischen auf einem Stock aufgehängt, mit dem Gesicht nach unten, und in dieser wehrlosen Situation wird man zusätzlich noch geschlagen oder Elektroschocks ausgesetzt. Die Folter zielt dabei nicht primär gegen politische Häftlinge, sondern betrifft auch viele Personen, die im Verdacht stehen, Straftaten begangen zu haben.
Äquatorialguinea ist neben Nepal eines der beiden Länder, in denen ich systematische Folter festgestellt habe. Die Regierung unternimmt nichts gegen die Straflosigkeit der Folterer. Folter geschieht mit Wissen und letztlich auch Billigung der Vorgesetzten.
Wie sind die Haftbedingungen, wie haben Sie die Gefangenen angetroffen?
Es bleibt den Familien überlassen, Häftlinge mit Essen und Trinken oder Medikamenten zu versorgen. In den oft überfüllten Gemeinschaftszellen in den Polizeistationen sind keine Toiletten vorhanden. Die Häftlinge urinieren in die Trinkwasserflaschen und verrichten ihre Notdurft in den Säcken, in denen das Essen gebracht wird. Vor den Zellen befinden sich volle Flaschen und Säcke, was ich auch dokumentieren konnte. Das ist keine Frage des fehlenden Geldes, sondern des fehlenden Respekts gegenüber Menschen. Die Gefangenen sind auch keine verurteilten Personen, sondern Menschen in Polizeihaft unter Verdacht, eine Straftat begangen zu haben.
Was hat Sie am meisten schockiert?
Die Haftbedingungen, die selbst bei fünf Stunden schon unmenschlich sind – diese völlige Missachtung der Würde von Menschen. Wir haben die Folterräume gesehen und die Folterinstrumente, die von den Häftlingen beschrieben wurden. Im Hauptquartier hat die Polizei nicht einmal versucht, die Geräte wie zum Beispiel Autobatterien mit Starterkabeln wegzuräumen. Das zeigt schon auch, wie sicher sie sich gegenüber Kritik fühlt.
Sie empfehlen der internationalen Gemeinschaft und transnationalen Konzernen, auf die Menschenrechtssituation ihrer Wirtschaftspartnerländer zu achten. Wie sieht das im Fall von Äquatorialguinea aus?
Wenn ich zu dem Ergebnis komme, dass in einem Staat systematisch gefoltert wird, bedeutet das auch, dass sich andere Staaten, die eng mit diesem Regime kooperieren, mitschuldig machen können. Das gilt auch für transnationale Unternehmen. Ich würde, vor allem gegenüber den USA sowie der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten – soweit sie mit Äquatorialguinea kooperieren – anraten, sicherzugehen, dass sie sich nicht an schweren Menschenrechtsverletzungen mitschuldig machen.
Manfred Nowak ist seit 2004 UN-Sonderberichterstatter über Folter, zudem Professor für Verfassungsrecht und internationale Menschenrechte an der Universität Wien sowie Direktor des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte. Er besuchte Äquatorialguinea Ende 2008.