„Viel zu erzählen“

Von Werner Hörtner · · 2007/04

In einer sechsteiligen Veranstaltungsreihe erzählen in Wien lebende AfrikanerInnen ihre Lebensgeschichten. Südwind-Redakteur Werner Hörtner sprach mit der Moderatorin Teclaire Ngo-Tam aus Kamerun.

Südwind: Was ist das Ziel dieser Veranstaltungen?
Teclaire Ngo-Tam:
Ich würde sagen, ein besseres Verständnis zwischen den Wienerinnen und Wienern und den hier lebenden Afrikanerinnen und Afrikanern zu ermöglichen. Ihnen eine Gelegenheit zu geben, ins Gespräch zu kommen. Die Berichte der Gäste am Podium sind biographisch, daher kann man einzelne Lebenssituationen darstellen. Ein Ziel ist es, diese Plattform anzubieten, um in Kontakt zu treten, um sich gegenseitig besser kennen zu lernen. Und auch, dass die Migrationsgründe etwas mehr beleuchtet werden, dass man sieht, dass Afrikanerinnen und Afrikaner nicht einfach von Zuhause weggehen, sondern dass dahinter eine lange Geschichte steht, die womöglich auch globale Zusammenhänge hat.

Bei dieser ersten Veranstaltung am 23. Februar waren sehr viele Menschen anwesend. Ich hatte das Gefühl, das sind alles Leute, die dieser Thematik ohnehin offen und mit viel Sympathie gegenüberstehen. Wie wollen Sie an die anderen Menschen herankommen?
Es gab schon viele Leute, die ich nicht gekannt habe. Aber angenommen, dass im Publikum nur Leute sind, die dem Thema ohnehin schon offen gegenüberstehen, dann brauchen die auch die besseren Argumente. Es wäre ja zu schön, wenn schon bei der ersten Veranstaltung Leute kommen, die der Migration ganz verständnislos gegenüberstehen.

Wollen Sie in Zukunft auch neue Bevölkerungsschichten mit diesen Veranstaltungen erreichen?
Wir wollen diese Gesprächsrunden immer in anderen Volkshochschulen abhalten, in verschiedenen Bezirken Wiens, in der Hoffnung, dass weiterhin das Stammpublikum kommt, aber auch die Menschen, die in diesen Bezirken zuhause sind.

Was ist Ihr Resümee dieser Veranstaltung vom 23. Februar?
Ich habe gesehen, dass die Leute am Podium viel zu erzählen haben. Vielleicht tut ihnen das gut, wenn sie berichten können, was sie hier stört und was sie freut. Ich habe auch gesehen, dass der Wiener Volksbildungsverband mit großem Engagement mitmacht. Das war für mich eine völlige Überraschung. Wir haben sehr gut zusammengearbeitet. Gefreut hat mich auch, dass sehr viele Menschen gekommen sind, es waren 175, das ist eine große Ermutigung.

Ich hatte den Eindruck, dass einige Leute im Publikum enttäuscht waren, dass sie von den Gästen am Podium keine schrecklichen Fälle von Diskriminierung gehört haben.
Das kann ich mir vorstellen, ja. Manche haben schon gute Erfahrungen, und es lohnt sich, auch darüber zu reden. Andere haben schlimme Erfahrungen, und auch die sollen zu Wort kommen. Wir konnten nicht alle gleich am ersten Tag aufs Podium bringen. Die Leute am Podium hatten schon genug zu erzählen über Diskriminierung, aber es war nicht so viel Zeit, alle diese Fälle aufzulisten.
Ich hatte den Eindruck, dass sich die drei Afrikanerinnen und Afrikaner an diesem Abend am Podium sehr wohl gefühlt haben
Ja, sie haben sich sehr wohl gefühlt. Dabei spielt sicher auch die Fragestellung eine große Rolle. Wenn ich aus Kamerun jemanden aus Afrika frage, warum bist du nach Österreich gekommen, ist das auch etwas anderes als wenn ein weißer Wiener dieselbe Frage stellt. Bei Letzterem könnte im Befragten der Eindruck entstehen, dass gemeint ist: Welches Recht hast du überhaupt, hierher zu kommen?

Es gibt ja seit Jahren mehrere Programme zum besseren Verständnis zwischen der Polizei und Afrikanern und Afrikanerinnen. Haben Sie den Eindruck, dass sich dadurch bei der Polizei spürbar etwas zum Positiven geändert hat?
Zumindest auf persönlicher Ebene schon, was jetzt den einzelnen Polizisten oder die Polizistin betrifft. Ich arbeite selbst bei so einem Programm mit. Es wird zumindest ein Kontakt zwischen einzelnen Personen hergestellt, das ist auch nicht wenig. Wie würde sonst ein Afrikaner dazu kommen, auf freundschaftlicher Ebene mit einem Polizisten zu reden, mit ihm ein Bier trinken zu gehen? Im Rahmen dieses Projekts gibt es eine Beratungsstelle in Wien, wo diskriminierte Afrikaner und Afrikanerinnen hingehen können, aber auch Österreicher. Einige kommen hin, um sich beraten zu lassen, andere einfach um zu erzählen.

Welche Kriterien sind denn für die Auswahl der Personen am Podium maßgebend?
Die Leute müssen die deutsche Sprache einigermaßen gut beherrschen. Das ist das wichtigste Kriterium und eine große Hürde. Dann müssen sie einen legalen Aufenthaltsstatus hier haben, denn sonst könnte es riskant sein für sie, öffentlich aufzutreten. Sonst gibt es eigentlich keine Kriterien.


Teclaire Ngo-Tam lebt seit zwölf Jahren in Wien. Sie arbeitete für den Verein Südwind Wien am Konzept für dieses Projekt mit und moderiert die Veranstaltungen.
Die nächste Veranstaltung im Rahmen der Reihe „ViennAfrica – Leben zwischen zwei Welten“ findet am 29. April um 10:30 im Bockkeller, Gallitzinstraße 1, 1160 Wien, statt. Wieder werden in Wien lebende AfrikanerInnen aus ihrem Leben erzählen und mit dem Publikum in einen Dialog treten.

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