Die Rot-Weiß-Rot Card möchte gezielt hoch qualifizierte AusländerInnen nach Österreich holen. Dabei wird vergessen, dass viele hoch Qualifizierte bereits im Land sind und deren Potenzial brachliegt.
Wir kennen die Geschichten über Ingenieurinnen, die Alte und Kranke pflegen oder Ärzte, die Taxi fahren. Zur Diskriminierung, die AusländerInnen in Österreich oft aufgrund von Akzent oder fremd klingenden Namen erfahren. Hinzu kommt noch, dass es für AkademikerInnen im Asylverfahren unmöglich ist, ihren Beruf auszuüben. Der Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt ist nur für saisonale Arbeit und geringfügige Beschäftigungen möglich. Eine Missachtung von Kompetenzen und mitgebrachten Qualifikationen. Die Untätigkeit während der langen Asylverfahren führt oft zum Verlust von Erfahrungen und Fähigkeiten. Das bedeutet „Brain Waste“: die Vergeudung von Humankapital und somit einen Verlust für alle Beteiligten.
Die ab Juli in Kraft tretende Rot-Weiß-Rot-Card-Regelung, die die gezielte Anwerbung von hoch Qualifizierten fördert, scheint grotesk angesichts der schwierigen Anerkennungsverfahren von ausländischen Qualifikationen in Österreich. Uneinheitliche Informationen, unterschiedliche universitäre Anerkennungsverfahren der im Heimatland erworbenen Diplome und lange Wartezeiten verwirren und demotivieren. Können einzelne Unterrichtsgegenstände im jeweiligen Berufsfeld nicht ausreichend nachgewiesen werden, müssen bei einer Nostrifizierung oft mehrere Prüfungen nochmals abgelegt werden. Das setzt sowohl gute Deutschkenntnisse als auch notwendige finanzielle Mittel und Zeit voraus. Anforderungen, die nach der Zeit des Asylverfahrens ohne Unterstützung nicht einfach zu erfüllen sind. Und wenn die Nostrifizierung abgeschlossen ist, begründen Firmen Ablehnungen von Bewerbungen nicht nur mit Aussprache oder fremd klingenden Namen, sondern auch mit fehlender Praxis im Beruf.
Um das Potenzial von Flüchtlingen und AsylwerberInnen bestmöglich zu nutzen, ist es notwendig, auf die im Herkunftsland erworbenen Fähigkeiten und Qualifikationen aufzubauen. Voraussetzung dafür ist die Anerkennung der Qualifikationen. Seit einiger Zeit gibt es diesbezüglich eine politische Debatte zur Lockerung des Arbeitsmarktzugangs für AsylwerberInnen. Die Wirtschaftskammer, die Industriellenvereinigung und einige PolitikerInnen fordern den erweiterten Zugang zum Arbeitsmarkt für AsylwerberInnen nach spätestens sechs Monaten.
Neben privaten und informellen Kontakten ist „Mentoring“, das einige Vereine in Österreich betreiben, eine Möglichkeit, die Hoffnung macht. Mentoring umfasst ein großes Spektrum: auf individueller Ebene persönliche Begleitung, Förderung beim Erwerb der deutschen Sprache, Unterstützung bei Ämtern und Behörden bis hin zur Vermittlung von Gesprächen im beruflichen Umfeld. Beim institutionellen Mentoring werden die betroffenen Menschen in betriebliche Projekte integriert und ihnen auf dieser Ebene neue soziale Räume eröffnet, in denen sie ihre Fähigkeiten und Interessen einsetzen können. Eine Journalistin aus Tschetschenien konnte beispielsweise bei einem nichtkommerziellen Radiosender regelmäßig Radiosendungen produzieren, ein Ingenieur aus Nigeria konnte bei der Vermittlung von Computertrainings für Erwachsene sein Wissen einbringen und eine Ärztin aus Georgien schaute in der Praxis ihrer behandelnden Kollegin zu. Eine Garantie, anschließend im Betrieb übernommen zu werden, ist oft nicht gegeben, aber die Zeit während des Verfahrens ist besser genutzt.
Maiada G. Hadaia ist Diplomandin am Institut für Internationale Entwicklung und Mitarbeiterin der Kommission für Entwicklungsfragen der OeAD-GmbH.
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