Auch für diesen Sommer gilt: lesen und sich freuen, dass es Orte wie die Südwind-Buchwelt gibt, empfiehlt der Buchhändler unseres Vertrauens Rudi Lindorfer.
Wenn ich heuer dreißig Jahre Südwind-Buchwelt feiere, so ist das kein Rückblick, sondern erfreuliche Gegenwart. Das zeigt sich zum Beispiel auch daran, dass über diesem Text „Buchhändler unseres Vertrauens“, steht. Diese Ehrung freut mich umso mehr, weil sie auch von KundInnen übernommen worden ist.
Doch bin ich nur das für Momente sichtbare Achtel eines Eisberges namens Südwind-Buchwelt. Tauche ich unter, tauchen meine KollegInnen auf, derart, dass wir ein weit über die entwicklungspolitische Szene hinausgehendes Ansehen erlangt haben.
Und wenn uns dann eine Kundin, wie Anfang Juni geschehen, versichert, wir seien für sie dreißig Jahre internationale Kultur in Wien – da wird man schon leicht verlegen. Und wenn uns VerlagsvertreterInnen sagen, dass auf Grund einer unserer Buchempfehlungen der Absatz auch in anderen Buchhandlungen steigen würde, oder wir hätten wieder einmal von einem „schwierigen“ Titel oder einer unbekannten Autorin mehr Bücher verkauft als die restlichen Buchhandlungen in Österreich zusammen, dann gratulieren wir uns zu unseren KundInnen (wirklich!). Denn die wagen oft den viel zitierten „Blick über den Tellerrand“.
Diesen Blick weiterhin zu ermöglichen, dafür setzen wir uns, so gut wir können und so weit es unsere erwirtschafteten Mittel zulassen, ein. Es ist uns bewusst, dass wir unsere dreißigjährige Existenz vor allem unseren StammkundInnen verdanken – von Privatmenschen über Weltläden und NGOs bis hin zu Schulen, die aus Solidarität, aber wohl auch wegen unseres fachlichen Know-hows ihre sämtlichen Bücherwünsche an uns richten und bestellen. Dafür sei hier herzlichst und für die Zukunft gedankt!
Die nahe Zukunft bringt neben Urlaubstagen den am 8. Juli (Wir haben durch Arbeitsexemplare einen Lesevorsprung) erscheinenden Roman „Das Geräusch der Dinge beim Fallen“ von Juan Gabriel Vásquez. Ein fesselndes, preisgekröntes Buch um einen Jus-Professor. 2009 wird er durch eine Zeitungsnotiz zum Abschuss eines Nilpferds, das aus dem ehemaligen Privatzoo des Drogenkönigs Escobar entflohen ist, an den gewaltsamen Tod eines Freundes erinnert. Diesen musste er hautnah miterleben. Und der Professor muss sich eingestehen, wie stark in Kolumbien das Alltagsleben noch bis in die Gegenwart vom eskalierenden Drogenkrieg der 1990er Jahre geprägt ist.
Leonardo Paduras Roman „Ketzer“ führt von der Gegenwart Kubas über das Jahr 1939, in dem ein Boot mit 937 jüdischen Flüchtlingen vor Havanna abgewiesen und nach Deutschland zurückgeschickt worden war, bis ins 17. Jahrhundert, in den Haushalt Rembrandts, und zurück ins Jahr 2007. Ein packender Krimi? Ein hervorragend recherchierter historischer Roman und ein Gang durch eine Periode der Kunstgeschichte? Auf alle Fälle prangert Leonardo Padura auf seine unnachahmliche Weise und mit konstruktiver Kritik die Gier der Menschen und Missstände wie Korruption auf Kuba an.
Susanne Scholl: Emma schweigt, Residenz Vlg., St. Pölten 2014; 180 Seiten; € 19,90
Chimanda Ngozi Adichie: Americanah, S. Fischer, Frankfurt am Main 2014; 605 Seiten; € 25,70
Leonardo Padura: Ketzer, Unionsverlag, Zürich 2014; 651 Seiten; € 25,70
Juan Gabriel Vásquez: Das Geräusch der Dinge beim Fallen, Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2014; 294 Seiten; € 23,60
Was selbst freiwillige Migration aus selbstbewussten Menschen machen kann, schildert Chimanda Ngozi Adichie in ihrem Roman „Americanah“. Sie zeigt aber auch, wie die Nigerianerin Ifemulu den Alltag in den USA unbeschadet übersteht. Weltoffen, mit treffender Genauigkeit und dennoch leicht und heiter und ohne ihre ProtagonistInnen bloß zu stellen, erzählt Adichie aus der globalisierten Welt mit ihren vermeintlichen Vor- und Nachteilen.
Welche (Flüchtlings-)Dramen sich scheinbar unbemerkt in unserer unmittelbaren Umgebung abspielen können, schildert Susanne Scholl in „Emma schweigt“. Dass die Autorin aus ihrem Erfahrungsschatz den Hintergrund einer mit ihrem Kind aus Aserbeidschan geflüchteten Frau lebensnah konstruieren kann, überrascht nicht. Scholl beschreibt bemerkenswert genau die Manier selbstzufriedener MitbürgerInnen bei uns, die nörgelnd und grantig durchs Leben schlurfen und ohne hinzuschauen überall das Schlechte erahnen. Dann merken sie eher durch eine entgegengebrachte Freundlichkeit als durch Einsicht, dass AusländerInnen doch nicht so sind wie sie glauben. Schlussendlich hätten sie aber immer schon gewusst, dass auf sie kein Verlass sei.
Angenehme Urlaubstage wünsche ich und: Wer genug zum Lesen hat, dem wird nicht fad!
Der Autor ist Buchhändler bei Südwind-Buchwelt in Wien.
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