Der neue Premier wird es schwer haben, aus dem Schatten seines autoritären, doch erfolgreichen Vorgängers Mahathir zu treten. Und dem wachsenden Islamismus Einhalt zu gebieten.
Der „Neue“ ist viel unterwegs. Er schüttelt Hände, hört sich die Sorgen der Menschen an, betet und isst mit ihnen: Fast täglich berichten die staatstreuen Medien Malaysias über Besuche Abdullah Ahmad Badawis bei Fischern, bei einfachen ArbeiterInnen auf dem Lande oder in Fabriken.
Seit er am 31. Oktober 2003 von seinem Vorgänger Mahathir Mohamad das Amt des Regierungschefs übertragen bekam, sucht Abdullah verstärkt die Nähe zum einfachen Volk. Bereits kurz nach seiner Amtsübernahme hatte er seine Landsleute dazu aufgerufen, seine Politik zu unterstützen. „Ich will nicht, dass ihr für mich arbeitet, sondern mit mir zusammen!“, hatte der 63-Jährige bei seiner ersten Rede als Premier in seinem Heimatstaat Penang gefordert.
Doch öffentliche Appelle dürften kaum reichen: Um seine Macht zu behalten, muss Abdullah, auch „Pak Lah“ (Vater Lah) genannt, nicht nur an die wirtschaftlichen Erfolge Mahathirs anknüpfen, sondern auch der Vetternwirtschaft und Korruption einen Riegel vorschieben. Allerdings wird Abdullah, der unter anderem Verteidigungs- und Außenminister war, ehe Mahathir ihn Anfang 1999 zum stellvertretenden Premier ernannte, es schwer haben, aus dem Schatten seines Vorgängers heraus zu treten. Unter Mahathir, der in seinen 22 Regierungsjahren als wirtschaftlicher Modernisierer galt, aber auch für seinen unerbittlichen Kurs gegenüber politischen GegnerInnen und seine schrille Kritik am Westen bekannt war, wurde Abdullah Badawi als moderate, aber schwache Führungspersönlichkeit angesehen. Mit Mahathir hatte Malaysia eine rasante wirtschaftliche Entwicklung erlebt, beim Ausbruch der Asienkrise im Juli 1997 hatte sich niemand den Auflagen des Internationalen Währungsfonds so erfolgreich verweigert wie der autoritäre Regierungschef.
Bei Kritik kannte Mahathir kein Pardon: Seinen populären Stellvertreter Anwar Ibrahim ließ er 1998 aus dem Amt jagen. Was folgte, war ein schmutziger Prozess, in dem Anwar wegen angeblicher Korruption und Homosexualität angeklagt und zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. „Mahathirs Regierungsjahre waren gekennzeichnet durch einen zunehmend autoritären Stil“, bilanziert Steven Gan, Chefredakteur der unabhängigen Online-Zeitung „Malaysiakini.com“. Allerdings traf auch Abdullah Badawi, sonst als wenig durchsetzungsfreudig bekannt, kurz nach Amtsantritt höchst widersprüchliche Entscheidungen: Einerseits setzte er einen neuen, für seinen Kampf gegen die Korruption bekannten Polizeichef ein. Andererseits zögerte er nicht, das „Interne Sicherheitsgesetz“ anzuwenden und mehrere aus Pakistan nach Malaysia deportierte Studenten, angeblich militante Islamisten, ohne Gerichtsentscheid inhaftieren zu lassen.
Der in eine prominente muslimische Familie geborene neue Premier kündigte an, künftig weniger in aufwändige Infrastrukturprojekte, sondern eher in den Bereich Landwirtschaft zu investieren. Den Versuch, enge Kontakte zu den MalaiInnen vom Lande zu knüpfen, werten Beobachter jedoch als reines politisches Kalkül, um sich bei den diesjährigen Wahlen wieder mehr Stimmen zu sichern. Sein Vorgänger Mahathir, von vielen muslimischen MalaiInnen als „unislamisch“ abgestempelt, war dafür bekannt, stets die malaiischen Eliten zu favorisieren und die ärmeren Schichten zu vernachlässigen. Dieser Umstand sowie der Rauswurf Anwars hatten der Regierungspartei UMNO (United Malays National Organisation) 1999 arge Stimmenverluste beschert.
Mangelnde Tatkraft wird Abdullah von KritikerInnen vorgeworfen. Erst Anfang Jänner, gut zwei Monate nach seinem Amtsantritt, ernannte Abdullah schließlich seinen Stellvertreter: den als machtbewusst geltenden Verteidigungsminister Najib Tun Razak. Fraglich bleibt, ob Abdullah es schafft, die 1999 zur islamistischen PAS (Parti Islam Se-Malaysia) übergelaufenen WählerInnen zurück zu gewinnen. Der Versuch der UMNO, sich als Sammelbecken konservativer MuslimInnen zu präsentieren, hatte im multiethnischen Malaysia für zunehmende Skepsis innerhalb der chinesischen und indischen Minderheiten gesorgt. Als die PAS kürzlich neu aufgewärmte Pläne für die Errichtung eines islamischen Staates veröffentlichte, war es pikanterweise nicht Abdullah, der die Opposition in die Schranken wies, sondern Mahathir. Nicht nur gegenüber der PAS wird sich Abdullah behaupten müssen; es gilt für ihn, auch die innerparteilichen Rivalitäten zu überwinden, wenn er nicht als Übergangskandidat enden will.
Die Autorin lebt als freie Südostasien-Korrespondentin für Hörfunk und Printmedien in Bangkok und bereiste kürzlich Malaysia.