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Radikale Evangelikale aus den USA agitieren in Afrika gegen Menschenrechte. Mit dem Amtsantritt von Donald Trump wird ihr Einfluss noch steigen. Wie queerfeindliche Lobbyarbeit von evangelikalen Christ:innen konkret aussieht, zeigt das Beispiel Uganda.
Samantha Ainembabazi nimmt sich eine kurze Auszeit und geht zum Friseur. Dort wird sie die nächsten Stunden verbringen. Auch für eine Maniküre hat sich die Uganderin angemeldet. Aber was heißt schon Auszeit? Wirklich zur Ruhe kommt die 28-jährige Spoken-Word-Künstlerin, Redakteurin, Kuratorin und lesbische Mutter nur selten. Auch jetzt nutzt sie den Friseurbesuch, um sich für ein Interview zu verabreden. Noch gehört ein Friseursalon zu den Orten, an denen sich zwei Frauen treffen können, ohne allzu viel Aufsehen zu erregen. Das ist wichtig, denn das vereinbarte Interview über die Lage von queeren Menschen in Uganda ist nach gültiger Rechtslage illegal. „Allein die Tatsache, dass ich mit Ihnen rede, könnte mir als Propaganda für Homosexualität ausgelegt werden“, sagt Ainembabazi. Und darauf stehen in Uganda nach dem „Anti-Homosexualität-Gesetz 2023“ bis zu 20 Jahre Haft.
Der 80-jährige Langzeitpräsident Yoweri Museveni hat das Gesetz am 29. Mai 2023 unterzeichnet. Es sieht für Homosexualität in manchen Fälle sogar die Todesstrafe vor, zum Beispiel für gleichgeschlechtlichen Sex mit Minderjährigen oder Personen über 75 Jahren. Zudem verlangt es, dass Vermieter:innen queere Menschen rauswerfen und Arbeitgeber:innen ihnen kündigen. Wer das nicht tut, und wer queere Menschen nicht denunziert, macht sich strafbar.
Evangelikaler Einfluss. Konservative, meist religiöse Gruppen fordern die Todesstrafe für Homosexualität schon seit vielen Jahren. Sie werden dabei massiv von konservativen, überwiegend evangelikalen Christ:innen aus den USA unterstützt. Diese religiösen Hardliner:innen behaupten, Homosexuelle würden Kinder „rekrutieren“ und dadurch erst zu Homosexuellen machen, sie seien außerdem Vergewaltiger und Kinderschänder. In einer zutiefst religiösen Gesellschaft haben ihre Worte Gewicht. Mit dem Regierungswechsel in den USA wird ihr Einfluss weiter wachsen, die evangelikalen Christ:innen gehören zu Trumps loyalsten Unterstützer:innen. Nur rund 14 Prozent der Menschen in den USA bekennen sich zum evangelikalen Christentum. Bei den Anhänger:innen der Republikanischen Partei ist der Anteil mit 40 Prozent sehr viel höher. Ihre wachsende Präsenz in der US-amerikanischen Politik wird voraussichtlich auch ihren Einfluss auf die politische Elite in Afrika weiter stärken.
Wobei „evangelikal“ nicht das gleiche ist wie „evangelisch“. Evangelikale betonen ihren Glauben stärker als andere Christ:innen und versuchen, den Alltag danach auszurichten. Sie bezeichnen sich selbst als bibeltreu, weil sie die Bibel für genauso aktuell halten wie zur Zeit ihrer Entstehung. Außerdem wollen sie sich bewusst von denen abgrenzen, die das nicht so sehen. Sie nehmen die Bibel wörtlich und sprechen in einfacher Sprache von Himmel und Hölle, von Sünde und Buße.
Modell Kernfamilie. In dem Kampf, den vor allem konservative religiöse Gruppen führen, geht es nicht nur um die Rechte queerer Menschen. Die Bewegung wendet sich auch gegen reproduktive Rechte wie Empfängnisverhütung und Abtreibung, und sie wirbt für ein konservatives Familienbild: Vater, Mutter, zwei Kinder. Aufschlussreich ist dieses Familienbild nicht zuletzt, weil die klassische afrikanische Familie häufig anders aussah. Sie bestand aus Vater, vielen Müttern, noch mehr Kindern, Cousins, Cousinen und anderen Verwandten. Dagegen ist die vierköpfige Kernfamilie eine Tradition aus der westlichen Welt, von der konservative, vor allem US-amerikanische Christ:innen auch den Rest der Welt überzeugen wollen.
Schon seit einigen Jahren unterstützen evangelikale christliche Gruppen aus den USA die Verschärfung von LGBTIQ+ Gesetzen in afrikanischen Ländern. Auch in Uganda hatten sie massiven Einfluss darauf, dass der „Anti-Homosexuality Act 2023“ so drakonisch ausfiel, sagt der Rechtsanwalt Fox Odoi-Oywelowo. Der Anfang 50-Jährige sitzt seit Mai 2021 dem parlamentarischen Menschenrechtsausschuss vor und ist der einzige Abgeordnete, der 2023 gegen das Gesetz gestimmt hat. Der Einfluss der US-amerikanischen evangelikalen Gruppen gehe viele Jahre zurück, sagt Odoi-Oywelowo. „Unter ihrem Einfluss wurde in Uganda erstmals 2010 ein sogenanntes Modellgesetz gegen Homosexualität eingeführt.“ Seitdem hätten die evangelikalen Scharfmacher:innen mit führenden Politiker:innen Ugandas zusammengearbeitet, um die Gesetze zu verschärfen. „Beide Seiten stimmen sich miteinander ab“, hat der Parlamentarier beobachtet.
Massive Anfeindungen. Eine zentrale Rolle spielen dabei sogenannte Gebetsfrühstücke. Die evangelikalen Gruppen aus den USA sponsern solche Zusammenkünfte im ugandischen Parlament und anderen politischen Kreisen. Darüber hinaus laden sie laut Odoi-Oywelowo manchmal ugandische Parlamentsabgeordnete und Politiker:innen in die USA ein, um sie mit ihrer evangelikalen Basis dort zusammenzubringen. „Sie nutzen verschiedene Foren, um sich gegenseitig zu beeinflussen. Im Grunde sind das Lobbygruppen, die sich gegen Menschenrechte stellen“, meint der Jurist.
Aufgrund der Gesetzeslage ist auch die Frage an Odoi-Oywelowo nach seiner sexuellen Orientierung heikel. Ob er Teil der queeren Community sei? Der Abgeordnete muss lauthals lachen. Er sei durch und durch heterosexuell, außerdem ohne jeden Zweifel ein Mann, sagt er. „Aber ich bin Teil der LGBTIQ+ Gemeinschaft, weil ich ein Mensch bin und die LGBTIQ+ Gemeinschaft aus Menschen besteht.“
Odoi-Oywelowo ist Mitglied der Regierungspartei. Bis er 2010 zum ersten Mal für das Parlament kandidierte, war er juristischer Berater von Präsident Yoweri Museveni. Man könnte meinen, dass einer wie er Respekt genießt und in der Mitte der Gesellschaft steht. Doch wenn Odoi-Oywelowo im Parlamentsgebäude den Aufzug betritt, verlassen alle anderen die Kabine. Und wenn er in den Gängen des Parlaments jemandem die Hand zum Gruß hinhält, wird sie regelmäßig nicht erwidert. Dass jemand, der seine Haltung vertritt, nicht schwul sein könnte, scheinen Odoi-Oywelowos Widersacher:innen innerhalb und außerhalb des Parlaments nicht für möglich zu halten. „Mitglieder der radikalen Gruppen, die gegen Menschenrechte kämpfen, rufen mich fast täglich an, um mich zu beleidigen und mir zu drohen – zum Beispiel damit, dass sie mich steinigen werden“, erzählt der Abgeordnete. „Ich treffe Vorsichtsmaßnahmen. Aber ich habe beschlossen, mich nicht ständig um mein Leben zu sorgen“. Denn queere Menschen werden viel schlimmeren Schikanen ausgesetzt und zum Teil sogar inhaftiert. „Sie dürfen nicht vergessen, dass ich eine sehr privilegierte Position innehabe“, erinnert Odoi-Oywelowo. Er wolle die Bedrohungen nicht herunterspielen. „Ich sage nur, dass es Menschen gibt, die weitaus schlimmeren Übergriffen ausgesetzt sind als ich.“ Seine Frau und seine Kinder leben allerdings aus Sicherheitsgründen in Kanada.
Homophober Glaube. Das ugandische Anti-LGBTIQ+ Gesetz ist eins der strengsten der Welt. Dabei gilt Homosexualität auch in vielen anderen afrikanischen Ländern als illegal, und zwar in mehr als der Hälfte. In fünf Ländern oder Regionen kann für gleichgeschlechtlichen Sex in bestimmten Fällen die Todesstrafe verhängt werden. Für viele afrikanische Politiker:innen stellt Homophobie ein Mittel dar, um sich als gute Christ:innen zu inszenieren, die ihnen zufolge einem „reinen“ Glauben anhängen. Also einem Glauben, der noch nicht von libertären Werten verwässert sei. Oder sie geben sich als Bewahrer:innen vermeintlich traditioneller afrikanischer Werte. Homophobe Aktivist:innen behaupten regelmäßig, der sogenannte Westen habe die Homosexualität nach Afrika gebracht. Historisch war es aber andersrum: Erst die Kolonialmächte machten homosexuelle Handlungen strafbar.
Im Mai 2023 reagieren viele westliche Regierungen entsetzt auf den „Anti-Homosexuality Act“. Die US-Regierung verhängt Sanktionen gegen die ugandische Parlamentspräsidentin Anita Annet Among und andere führende Politiker:innen. Der damalige US-Präsident Joe Biden fordert die sofortige Aufhebung des menschenverachtenden Gesetzes. So trägt die US-amerikanische Gesellschaft die eigene Spaltung auch auf afrikanischem Boden aus. Denn: Es sind US-amerikanische Evangelikale und konservative Christ:innen, die für eine Verschärfung der bestehenden Gesetze massiv Lobbyarbeit betreiben.
Weil er sich den evangelikalen Einpeitscher:innen aus den USA und ihren ugandischen Gesinnungsgenoss:innen entgegenstellt, ist der ugandische Aktivist Pepe Julian Onziema zusammen mit der LGBTIQ+ Organisation SMUG („Sexual Minorities Uganda“) zu einiger Berühmtheit gelangt. Sie ist schon vor mehr als 20 Jahren gegründet worden und Onziema, ein Transmann Anfang 40 arbeitet schon lange bei SMUG. Bei dem Treffen in einem Park in der ugandischen Hauptstadt Kampala trägt er einen Bart, eine Schiebermütze und ein grünes Hemd. „Das aktuelle Gesetz ist nicht das erste, das drakonische Strafen vorsieht“, erinnert Onziema. Das erste wurde 2014 verabschiedet und als „Kill the Gays Bill“ bekannt. „Wegen dieses Gesetzes beschlossen wir als Organisation, gegen den US-amerikanischen evangelikalen Pastor Scott Lively und zwei seiner ugandischen Partner zu klagen“, erzählt Onziema: gegen die Pastoren Stephen Langa und Martin Ssempa, die enge Verbindungen in die USA hatten und zusammen mit Lively die anti-queere Stimmung kräftig angeheizt hatten. Gemeinsam mit einer Partnerorganisation in den USA, dem Center for Constitutional Rights, klagte SMUG in den USA gegen Lively, Langa und Ssempa in Springfield, Massachusetts. Die Menschenrechtler:innen nutzten dafür ein Gesetz, das es ausländischen Geschädigten erlaubt, vor US-amerikanischen Gerichten zu klagen, wenn ihre Rechte durch Bürger:innen der Vereinigten Staaten geschädigt wurden – auch wenn die Tat im Ausland stattfand.
Millionen von US-Dollar für Anti-LGBTIQ+ Lobbyarbeit
Die ultrakonservativen US-amerikanischen Freikirchen lassen sich ihre Lobbyarbeit in Afrika Einiges kosten. Laut einer Untersuchung des Portals Open Democracy haben mehr als 20 christliche Gruppen aus den USA allein zwischen 2007 und 2020 mindestens 54 Millionen US-Dollar in afrikanischen Ländern investiert. Fast die Hälfte davon floss demnach nach Uganda. Viele dieser US-amerikanischen Lobbygruppen haben Verbindungen zu Präsident Donald Trump oder seinem Umfeld. Die Fundamentalist:innen kämpfen gegen sicheren Zugang zu Abtreibung, Sexualerziehung in Schulen und gegen LGBTIQ+ Rechte.
Globales Netz. Lively hatte massiv für das Anti-Homosexualitäts-Gesetz agitiert und auf den ugandischen Abgeordnete David Bahati dementsprechend eingewirkt, der den Gesetzentwurf schließlich einbrachte. Er ist Mitglied des weltweiten evangelikalen Netzwerkes The Family, das in den USA besonders stark auftritt. Onziema und seine Kolleg:innen waren und sind davon überzeugt, dass die homophoben Kampagnen ohne die Unterstützung und Finanzierung aus den USA nicht ganz so viel Durchschlagskraft hätten. „Das Gericht wies seine Zuständigkeit zwar zurück, aber der Richter stellte fest: Was Lively und seine Kollegen getan haben, waren Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“
Später erklärte ein ugandisches Gericht das sogenannte „Kill the Gays“- Gesetz von 2014 für ungültig, weil bei der Abstimmung nicht genug Abgeordnete anwesend waren. Lively hat seit dem Urteil nie wieder ugandischen Boden betreten. Bahati, Langa und Ssempa waren zu einem Interview mit dem Südwind-Magazin nicht bereit, wie im Übrigen keiner von mehreren angefragten Befürwortern schwerer Strafen, im Parlament und außerhalb davon. Auch ihre evangelikalen Einflüsterer aus den USA sind vorsichtiger geworden, scheuen die Presse, agieren bisweilen unter anderem Namen, sind aber nicht minder einflussreich.
Eine US-amerikanische Gruppe ist in den vergangenen Jahren besonders durch ihre Aktivitäten in Uganda aufgefallen: Family Watch International, eine kleine Nichtregierungsorganisation aus Arizona, die sich selbst als Hüterin von traditionellen Familienwerten und Beschützerin von Kindern darstellt. Und die auch innerhalb der Vereinten Nationen (UN) für „traditionelle Familienwerte“ Lobbyarbeit macht. In der internationalen Organisation treffen sich zweimal im Jahr Vertreter:innen der Zivilgesellschaft und der Mitgliedsstaaten, um über Frauenrechte und Frauenfragen zu debattieren. Sharon Slater, die Präsidentin von Family Watch International, ist derzeit Vorsitzende der UN-Arbeitsgruppe für Familienrecht. Als solche konnte sie gute Verbindungen zu politischen Führer:innen in Uganda knüpfen. In einem Internet-Video ist sie bei einer Audienz mit Ugandas First Lady zu sehen. Der Anlass: Die „Erste afrikanischen Parlamentskonferenz zu Familie und Kultur“, die 2023 in Uganda stattfand.
WhatsApp-Gruppe. Wie sie ihren Einfluss auf die ugandische Gesetzgebung konkret ausübt, beschäftigt vor allem eine zivilgesellschaftliche Gruppe in Uganda, die zum politischen Einfluss der religiösen US-amerikanischen Lobbygruppen auf die Gesetzgebung in Uganda und anderen afrikanischen Staaten recherchiert. Der Name der Gruppe und ihr wichtigster Rechercheur sollen anonym bleiben. Er hat einige Netzwerke der religiösen Lobbyist:innen unterwandert und möchte nicht auffliegen. „Es wurde für uns immer schwieriger, die Verbindungen zwischen US-amerikanischen Christ:innen und ugandischen Politiker:innen zu belegen – bis Sharon Slater 2023 nach Uganda kam“, erzählt der Aktivist. Das war der erste physische Besuch der Leiterin von Family Watch International. Davor sei sie bereits aktives Mitglied einer WhatsApp-Gruppe namens Life and Family Forum Uganda gewesen. Zu dieser Gruppe gehörten einige Parlamentsabgeordnete, darunter der stellvertretende Parlamentssprecher Thomas Tayebwa.
Einmal habe die Abgeordnete Akello Lucy in der WhatsApp-Gruppe gefragt, was sie in einer Debatte über schulische Sexualkunde im Parlament sagen solle. Diese Lerninhalte drehen sich um einen gesunden Umgang mit Sexualität, Verhütung und um das Recht, „Nein“ sagen zu können. Evangelikale Gruppen laufen dagegen Sturm, sowohl in den USA als auch in Übersee. Sie argumentieren, Kinder würden so nur unnötig und viel zu früh sexualisiert. „Sharon Slater postete in der Gruppe, wie Akello Lucy argumentieren soll – und genau das hat die Abgeordnete dann tatsächlich während der Parlamentsdebatte gesagt.“ So unmittelbar sei deren politischer Einfluss auch in anderen Fragen.
Mob-Angriffe. Seit der Einführung des neuen Gesetzes in Uganda habe die Verfolgung queerer Menschen deutlich zugenommen, sagt Onziema. Er hat einen ganz guten Überblick, weil SMUG immer hilft, wenn bekannt wird, dass queere Menschen in Not sind.
„Das neue Gesetz ist eine Art Freifahrtschein für die Gesellschaft, sie ist für uns deshalb die größere Gefahr“, sagt der Aktivist. „Mit den staatlichen Sicherheitskräften können wir verhandeln. Während solcher Gespräche können wir oft Missverständnisse aufklären.“ Bei Mob-Angriffen sei das anders: „Bis die Polizei kommt, ist das Opfer womöglich schon verletzt.“ Die Zahl der Notfälle, die seiner Organisation gemeldet werden, habe seit der Verabschiedung des Gesetzes deutlich zugenommen. „Jede Woche werden uns fast 20 Übergriffe gemeldet, ein Viertel davon sind Fälle von Lynchjustiz oder Mob-Gewalt: Schläge, Vergewaltigung, sexuelle Übergriffe, die Entwendung von Eigentum.“ Auch zu Morden komme es, allerdings sei es für SMUG oft schwer, die Hintergründe aufzuklären. „Wir haben von zehn Morden an Homosexuellen gehört, aber nur bei drei davon können wir sicher sagen, dass die Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung getötet wurden.“ Alle diese Morde wurden innerhalb des ersten Jahres nach dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes verübt.
„Die Lage für queere Menschen in Uganda war immer schon schwierig“, sagt Samantha Ainembabazi. Es gab Polizeirazzien bei Strandpartys, bei Pride-Veranstaltungen, in Diskotheken. Tatsächlich oder mutmaßlich queere Menschen wurden von der Presse gegen ihren Willen geoutet, von ihren Familien verstoßen und vom Mob schwer verletzt oder getötet. „Aber nachdem die Justiz das „Kill the Gays“-Gesetz von 2014 für ungültig erklärt hatte, wurden wir manchmal auch einfach ignoriert.“ Damit sei es nun vorbei, die Strafverfolgungsbehörden greifen härter durch. Und trotzdem sieht Ainembabazi, ebenso wie Onziema, die größere Gefahr in der Gesellschaft. Sie beruft sich auf Zahlen des Strategic Response Teams, einem Zusammenschluss von mehreren Menschenrechtsgruppen. Im Zeitraum von Mai bis September 2023, also in den ersten Monaten nach dem Inkrafttreten des Anti-Homosexualitäts-Gesetzes, seien 95,4 Prozent der Menschenrechtsverletzungen von Bürger:innen verübt worden, nur 5,4 Prozent von der Polizei und Strafverfolgungsbehörden. Ein gesellschaftliches Klima, in dem das Überleben für queere Menschen immer schwieriger wird.
Auch der Parlamentarier Odoi-Oywelewo ist zutiefst beunruhigt. Im wachsenden Einfluss der radikalen Evangelikalen sieht er eine wachsende Gefahr für die Demokratie und die Menschenrechte. „Der Schaden, den sie den demokratischen Institutionen zufügen, wird in einigen Jahren nicht wieder gutzumachen sein. Und das sage ich, obwohl ich Christ bin.“
Bettina Rühl ist freiberufliche Journalistin mit dem Schwerpunkt Afrika und arbeitet für mehrere Zeitungen sowie den Hörfunk der ARD. Sie lebt in Nairobi, Kenia.
Die Recherche wurde gefördert von der Stiftung Weltbevölkerung.
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