Vor fast einem Jahr haben die Vereinten Nationen und Kambodscha eine Vorgehensweise zur juridischen Aufarbeitung der Pol-Pot-Verbrechen beschlossen. Ein entsprechender Gesetzesvorschlag soll nun im Juni bei einer Geberkonferenz in Tokio präsentiert werden.
In jeder größeren Stadt Kambodschas bieten Mopedtaxis TouristInnen eine Besichtigung der Killing Welds, der Massengräber, an. So auch in Battambang, der zweitgrößten Stadt Kambodschas. Ein holpriger Weg führt hinauf auf eine Anhöhe. Oben steht eine Pagode. Junge Mönche begrüßen den Besucher. Der Ort wirkt friedlich. Nur wenige Meter weiter führt ein schmaler Pfad zu einer großen Höhle, steile Stufen führen hinab. Langsam zögernd schreitet Chea Nou die Treppen hinunter. Links davon steht ein Stahlkäfig, voll mit Schädeln und Knochen unzähliger Opfer. Nach oben hin, in sieben Metern Höhe, gibt ein großes Loch den Blick zum Himmel frei. Von dort wurden die Menschen hinunter in die Höhle gestoßen. Manchmal wurden sie davor erschossen, oft waren sie aber auch noch am Leben, erzählt Chea Nou.
Andere Besucher stoßen zu uns. Ihr Begleiter erzählt: Ich habe hier meinen Vater verloren. Der Mörder läuft noch immer frei herum. Ich sehe ihn jeden Tag. Wenn ich genug Geld habe, bezahle ich einen Auftragsmörder, der ihn zur Strecke bringen soll. Die Verzweiflung, Trauer und Wut sind ihm ins Gesicht geschrieben. Auf den Einwand, ob es nicht besser wäre, den Mörder seines Vaters vor Gericht zu stellen, antwortet er: Der Mörder meines Vaters wird in Kambodscha nie angeklagt werden.
Der Umgang der jetzigen Regierung mit den Kriegsverbrechen des Pol-Pot-Regimes könnte ihm recht geben. Bis heute sitzen lediglich zwei führende Mitglieder der Roten Khmer für Kriegsverbrechen in Untersuchungshaft: Kaing Khek Iev, der Direktor des berüchtigten Sicherheitsgefängnisses Tuol Sleng, und Ta Mok, ein hochrangiger Militär. Auch die Verabschiedung des Gesetzes zur Einrichtung eines Kriegsverbrechertribunals durch das kambodschanische Parlament am Anfang dieses Jahres täuscht nicht darüber hinweg, dass die kambodschanische Regierung nur halbherzig mit den Kriegsverbrechen der Roten Khmer abrechnen will. Das Inkrafttreten des Gesetzes lässt auf sich warten.
Die Involvierung amtierender Politiker in die Kriegsverbrechen macht eine weitere Verschleppung des Prozessbeginns wahrscheinlich. Das Kriegsverbrechertribunal könnte mehr aufdecken als der Regierung recht ist, gibt Kek Galabru von Licadho (Cambodian League for the Promotion and Defense of Human Rights), der größten Menschenrechtsorganisation Kambodschas, zu bedenken. Ins Zwielicht geraten ist insbesondere der amtierende Außenminister, Hor Namhong. Ihm wird von der Senatorin Kheo Buntham vorgeworfen, als Leiter des Straflagers Boeng Trabak für die Kriegsverbrechen der Roten Khmer mitverantwortlich zu sein.
Es ist heute noch unklar, wer letztlich für die Kriegsverbrechen belangt werden soll. Der DC-Cam liegen zwar Akten über etwa 10.500 führende Mitglieder der Roten Khmer vor. Doch sind bisher, neben Khaing Khek Iev und Ta Mok, nur drei weitere Personen namentlich bekannt, über deren Anklage öffentlich diskutiert wird: Ieng Sary, der ehemalige Außenminister der Roten Khmer, sowie Nean Chea und Khieu Samphan. Alle waren Mitglieder des Standing Committee, des obersten Entscheidungsorgans des Pol-Pot-Regimes.
Eine Anklageerhebung gegen Ieng Sary würde einen neuerlichen Bürgerkrieg in Kambodscha heraufbeschwören, meint Premierminister Hun Sen. Die Roten Khmer verfügen weder über Finanzen noch Organisation und Struktur, um einen neuerlichen Bürgerkrieg zu entfachen, heißt es demgegenüber von Kek Galabru von Licadho. Im Falle von Nuon Chea und Khieu Samphan hat ein UN-Expertenteam zwar genügend Beweismaterial für eine Anklageerhebung gesammelt, eine Verhaftung der Genannten steht jedoch bisher aus. Die wichtigsten Menschenrechtsorganisationen Kambodschas haben vor diesem Hintergrund wenig Hoffnung auf eine baldige Einrichtung des Kriegsverbrechertribunals. Yi Kosalvathanak von Adhoc (Cambodian Human Rights Association) rechnet frühestens im Jahr 2003 mit Prozessbeginn, Kek Galabru meint gar: Das Khmer-Tribunal kommt nie!
Der Autor studierte an der Universität Innsbruck Politikwissenschaft und verbrachte kürzlich zwei Monate in Kambodscha und Thailand.
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