Konflikte um genetische Ressourcen in Lateinamerika.
Jahrbuch V des Österr. Lateinamerika-Instituts. Brandes & Apsel/Südwind, 178 Seiten, € 13,10.
Die Biodiversität in vielen Ländern der so genannten Dritten Welt ist Goldes wert, das weiß mittlerweile nicht nur eine aufgeklärte Öffentlichkeit, das wissen auch die Konzerne der Pharma- und Agroindustrie. Die genetischen Ressourcen – die erblichen Eigenschaften von Lebewesen – sind zum „Erdöl des Informationszeitalters“ geworden. Neue Biotechnologien, darunter die Gentechnologie, ermöglichen es, schneller und effizienter als auf dem herkömmlichen Weg der konventionellen Züchtung neue Produkte und Produktionsmethoden zu entwickeln. Die Erwartung einer hohen Kapitalrentabilität lässt die Unternehmen ethische und rechtliche Grenzen bedenkenlos überspringen und den biologischen Reichtum des Südens ohne Wissen und oft auch gegen den Willen der Betroffenen ausbeuten (Biopiraterie).
Diese neue Form eines Kolonialismus steht im Mittelpunkt vieler Beiträge des vorliegenden Sammelbandes, der den Kampf um die genetischen Ressourcen in Lateinamerika und die weltweiten Rahmenbedingungen für dieses wachsende Konfliktfeld der internationalen Politik behandelt. Doch die skrupellose Aneignung und kommerzielle Ausbeutung genetischer Ressourcen hat nicht nur Kritik, sondern auch handfesten Widerstand hervorgerufen. Widerstand der indigenen Völker im Süden und sie unterstützender NGOs in den Industrieländern, Widerstand aber auch seitens der KonsumentInnen, indem sie z.B. gentechnisch veränderte Lebensmittel boykottieren.
Alle diese Themen werden in diesem Buch von ExpertInnen aus Europa und Lateinamerika ausführlich und gut verständlich (abgesehen von der Sprache, denn einige Beiträge sind im englisch- oder spanischsprachigen Original abgedruckt) dargestellt: ein gutes Rüstzeug zur Diskussion über ein Konfliktfeld, das die internationale Politik und die globale Wirtschaft noch lange und zunehmend beschäftigen wird.