Karin und Wolfgang Gabbert, Michael Krämer u.a. (Hg.)
Sachbuch. Westfälisches Dampfboot, Münster 2009, 198 Seiten, € 24,90
Die Nahrungsmittelkrise im Jahr 2007 hat nicht nur die Euphorie um die Agrotreibstoffe empfindlich gedämpft, sie hat auch eine weltweite Debatte über Anbaumethoden und nicht zuletzt Handelsregeln für agrarische Rohstoffe in Gang gesetzt. Begriffe wie Ernährungssicherheit, Ernährungssouveränität und Recht auf Nahrung sind seither über reine Insiderzirkel hinaus geläufig. Allerdings werden sie nicht immer kenntnisreich und oft gar unterschiedslos verwendet. Dem hilft Armin Paasch in seinem Beitrag „Kampf gegen den Hunger – Paradigmen im Widerstreit“ ab, mit dem der jüngste Band aus der Reihe „Lateinamerika. Analysen und Berichte“ eröffnet wird.
Während sich der erste Begriff auf die Verfügbarkeit von Nahrung bezieht, beschreibt der zweite eine Politik, die den Anbau von Nahrungsmitteln gegenüber der exportorientierten landwirtschaftlichen Produktion privilegiert. Im Zuge der weltweiten Arbeitsteilung und mit der Ausbreitung der Freihandelsideologie ist das immer seltener geworden. Das Recht auf Nahrung schließlich postuliert einen menschenrechtlichen Anspruch, dem die Staaten gerecht werden müssen. Um diese Themen kreisen alle Beiträge im Hauptteil des Buches.
Paasch ist wie auch Frank Braßel, der Autor des zweiten Beitrags „Land ist keine Ware“, Mitglied von FIAN, der Organisation für das Menschenrecht auf Nahrung, die dieses Buch entscheidend mitgestaltet hat. Braßel zeichnet die Errungenschaften und Defizite der Landreformen nach, mit denen fast alle Regierungen des Subkontinents in den vergangenen 50 Jahren versucht haben, dem kolonialen Erbe des Latifundismus die soziale Sprengkraft zu nehmen.
Ernüchternd die Erkenntnis, dass die „linken“ Regierungen des Subkontinents mehrheitlich weiter an der exportorientierten Agrarpolitik festhalten, allen voran die Agrargroßmächte Brasilien und Argentinien.
Die letzten zwei Beiträge „Am gedeckten Tisch“ von Thomas Schmid über den kulinarischen Austausch zwischen Europa und „Neuer Welt“ sowie die Initiative des Schweizer Kochs David Höner „Küche ohne Grenzen“ – preisgünstige Imbisstuben in lateinamerikanischen Armenvierteln – lockern die sonst stellenweise eher schwere Kost der Lektüre etwas auf. Doch bleibt das Jahrbuch, das seit über drei Jahrzehnten von ehrenamtlichen Herausgeberinnen und Autoren produziert wird, für alle an Lateinamerika Interessierten eine unentbehrliche Informationsquelle und ein Denkanstoß auf hohem Niveau.