Thailand hat als erstes Land in Asien Cannabis legalisiert. Seitdem boomt vor allem der Konsum bei Tourist:innen.
Es soll Bauern und Bäuerinnen neue Einkünfte ermöglichen, und medizinische Behandlungen ermöglichen: Treibende Kraft der Legalisierung ist die Bhumjaithai-Partei des Vizepremiers und Gesundheitsministers Anutin Charnvirakul. Für ihn ist Cannabis potenziell ein wertvolles Agrarprodukt. Schon im Wahlkampf 2019 hatte seine Partei für die Freigabe von Cannabis geworben und ist dann der militärnahen Regierungskoalition beigetreten, die der General Prayut Chan-o-cha führt.
Bis in die 1970er Jahre war der Anbau von Cannabis in Thailand verbreitet und seine Qualität geschätzt. Doch dann setzten sich strenge Verbote in dem Land durch, das mit Laos und Myanmar das „Goldene Dreieck“ bildet: In der unzugänglichen Bergregion dort wird nach wie vor Opium angebaut. Die Rolle des Quasimonopolisten für Opium und Heroin hat mittlerweile aber Afghanistan.
In Thailand sind heute Amphetamine wie synthetisches Crystal Meth populär. Unter Premierminister Thaksin Shinawatra führten die Sicherheitsbehörden 2003 einen „Krieg gegen die Drogen“. Etwa 3.000 Menschen wurden im Zuge der Kampagne, die als gescheitert gilt, getötet.
Million Cannabis-Samen verteilt
2020 setzte die Bhumjaithai-Partei zunächst die Zulassung von Cannabis für medizinische Zwecke durch. Im Juni 2022 strich Minister Anutin dann Cannabis von der Liste verbotener Rauschmittel. Seitdem darf es verkauft werden und es wurden rund 4.000 Personen aus den Gefängnissen entlassen, die wegen Ganja, wie Cannabis in Thailand genannt wird, eingesessen hatten.
Anutin versprach den Bauern und Bäuerinnen höhere Einkommen durch den Cannabis-Anbau. Die Regierung ließ dafür eine Million Cannabis-Samen und -Setzlinge verteilen. Auch der Medizintourismus werde wegen der heilenden Wirkung von Marihuana boomen, versprach der Vizepremier.
Studien zufolge könnte Thailands Cannabis-Geschäft mehrere hundert Millionen Euro Umsatz pro Jahr repräsentieren. Inzwischen boomt der Verkauf vor allem in den Tourismusgebieten. Täglich kommen neue Shops zu den bereits bestehenden mehreren tausend hinzu.
Verhaltenskatalog statt Gesetze
Anutins Partei setzte die Freigabe durch, obwohl das entsprechende Gesetzespaket in dieser Legislaturperiode wegen einer Blockade der Gegner:innen nicht mehr verabschiedet werden kann. Anutins Ministerium gab zum Jahresbeginn deshalb einen „Verhaltenskatalog“ heraus: So dürfe in der Öffentlichkeit kein Cannabis geraucht werden, Im- und Export seien verboten und für den Anbau braucht es eine Lizenz. Konsument:innen müssen mindestens 20 Jahre alt sein, was Verkäufer:innen überprüfen sollen. Schwangere und Stillende dürfen nicht kiffen, unter Drogeneinfluss darf nicht Auto oder Motorrad gefahren werden. Unklar sind aber die Strafmaße und wie die Polizei bei Verstößen verfahren soll.
Bei aller Freude über die Legalisierung hält eine thailändische Filmproduzentin, die sich nur Cherry nennt, Anutins Versprechen an die Bauern und Bäuerinnen für Populismus: „Um Ganja erfolgreich anzubauen, musst du stark in Beleuchtung und Bewässerung investieren“, meint sie. „Deshalb dürften reiche Produzierende noch reicher werden, kleine aber kaum mithalten können.“
Lukratives Geschäft
An einem kleinen Stand in Bangkoks Sukhumvit-Straße, jetzt „Sukhumweed“ genannt, sagt ein Cannabis-Händler, der seinen Namen nicht nennen will, dass er bis vor drei Monaten Essen verkauft habe. Der Marihuana-Verkauf sei aber lukrativer: „Früher habe ich an einem Abend umgerechnet rund 14 Euro verdient, jetzt ist es das Doppelte.“
Für Phil Robertson, Asien-Vizedirektor von Human Rights Watch in Bangkok, ist die Entkriminalisierung von Cannabis ein überfälliger menschenrechtlicher Fortschritt: „So viele Leben wurden hier ruiniert, weil junge Menschen wegen Kiffens für zwei, drei Jahre ins Gefängnis kamen.“ Das Cannabis-Verbot sei zur Schmiergelderpressung genutzt worden. Er hofft, dass bald auch die Nachbarländer bei der Legalisierung mitziehen. Danach sieht es aber nicht aus.
In Malaysia und vor allem Singapur wird weiter auf Härte gesetzt. In Singapur drohen Rückkehrern aus Thailand sogar bis zu zehn Jahre Haft, wenn ihnen nachgewiesen wird, dass sie dort gekifft haben.
Sven Hansen ist Asien-Redakteur der Tageszeitung Taz in Berlin und war Anfang des Jahres einige Wochen in Thailand, Kambodscha und Singapur.
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