Ölfunde in Westuganda schüren die ersten Landkonflikte. Die einen werden gewaltsam vertrieben, den anderen Entschädigung und Reichtum versprochen. Dies hilft nicht nur der Ölförderung, sondern auch Präsident Museveni, seine Position zu sichern.
Im Gemeindehaus des Fischerdorfes Buliisa läuft ein Film: Landkonflikte, Umweltprobleme und Bürgerkrieg als Folge der Ölfunde in Nigeria werden beleuchtet. Gespannt verfolgen Dutzende Dorfvorsteher, Bäuerinnen und Bauern sowie Sprecher der Fischerfamilien die Dokumentation. Kaum ist der Film zu Ende, entzündet sich eine Debatte. „Wir können nicht zulassen, dass Politiker die Entscheidungen für uns treffen“, fordert einer der Dorfvorsteher. „Wenn das Öl den See verseucht, was wird dann aus uns?“, fragt der Sprecher der Fischer.
Der Ort Buliisa liegt im kargen gleichnamigen Bezirk am Ufer des Albertsees in Westuganda. Der Albertsee schmiegt sich in den Albertinen-Graben an der Grenze zu Kongo, in dem westliche Ölfirmen wie die in Irland registrierte Firma Tullow Oil seit 2006 nach Öl suchen. Schätzungen besagen, dass dort, wo die Erdplatten auseinanderdriften, bis zu 2,5 Milliarden Barrel Rohöl schlummern. Seitdem wirbeln Lastwagen den Staub auf der Straße auf, die Eisenrohre und Betonmaschinen anliefern. Ingenieure verlegen Kabel wie Spinnweben, um den Grund zu vermessen. Der Fischerort Buliisa wächst langsam zu einer Kleinstadt: Neue Telefonmasten überragen jetzt die wenigen Häuschen, die erste Bankfiliale wird bald eröffnet, die irische Ölfirma Tullow Oil lässt am Stadtrand ein Krankenhaus bauen. Nächstes Jahr will Tullow mit der Ölförderung beginnen.
Alice Kazimura sitzt in der letzten Reihe und hört den Fischern aufmerksam zu. Als Tullow unter dem Haus ihres Nachbarn erstmals auf Öl stieß, entschädigte ihn die Regierung großzügig. Er packte seine Habseligkeiten und zog weg. In dessen Garten errichtete Tullow einen Bohrturm, umgeben von einem Zaun, an welchem Sicherheitsleute patrouillieren. „Damals habe ich mich gefragt, was nun aus uns wird, wir haben doch alle keine Ahnung von Öl“, sagt sie. Sie nahm Kontakt zur Nichtregierungsorganisation AFIEGO (African Institute for Energy Governance), die in Buliisa den Film vorführt, auf und erfuhr: Gemäß dem Landrecht Ugandas gehören Ressourcen im Untergrund dem Staat. Die Entschädigungszahlungen an andere BewohnerInnen seien immer niedriger geworden. „Ich musste einsehen: Wir müssen kämpfen. Entweder wir gewinnen oder wir verlieren.“ Daraufhin gründete sie die NGO „Öl-Forum“, um die BewohnerInnen über die Rechtsfolgen aufzuklären. Seitdem pendelt sie ständig zwischen der Hauptstadt Kampala und Buliisa hin und her, um zwischen dem Energieministerium und den DorfbewohnerInnen zu vermitteln.
Dickens Kamugisha, AFIEGO-Chefkoordinator in Uganda, muntert die ZuschauerInnen auf: „Ihr dürft nicht darauf warten, dass die Versprechen in Erfüllung gehen“, sagt er. Die Dorfvorsteher und Fischer nicken. Fast täglich tourten in den vergangenen Monaten Kandidaten auf ihrer Wahlkampftour durch die Ölregion. Selbst Präsident Yoweri Museveni war hier. Sie alle versprachen Reichtum aus den Ölvorkommen. Dass die Menschen in Buliisa vom Ölsegen profitieren werden, daran glaubt Alice Kazimura nicht mehr. Zu offensichtlich scheint die Regierung nach der Methode „Teile und herrsche“ die Menschen in Buliisa gegeneinander auszuspielen.
Wenige Kilometer von Buliisa entfernt, in der Siedlung Kataleba, ist die irische Ölfirma Tullow in einer Baumwollplantage auf Öl gestoßen. Phares Ngambe zeigt auf die Felder, wo einst die lokale Bevölkerung Baumwolle anbaute. Der alte Mann mit Hut war bis vor kurzem der Dorfvorsteher von Kataleba. In der Siedlung aus bunten Häuschen mit Wellblechdächern nahe dem Albertsee leben die Bäuerinnen und Bauern des Volkes der Bagungu. Jetzt hat Dorfvorsteher Ngambe, der Dorfälteste, den Posten an seinen ältesten Sohn übergeben. Er hätte sich den Problemen nicht mehr gewachsen gefühlt, sagt er und deutet auf eine Ansammlung runder Lehmhütten mit Strohdächern und verrammelten Türen am Ortseingang. „Hier haben bis vor Kurzem die Balaalo gewohnt“, seufzt er. Doch dann habe die Regierung die HalbnomadInnen samt ihren Rinderherden davongejagt.
Wenn Grace Barooroza an jene Lehmhütten zurückdenkt, steigen ihr Tränen in die Augen. Die 56-Jährige, Ex-Vorsitzende der Balaalo sitzt jetzt in einem Restaurant in der rund 90 Kilometer entfernten Stadt Masindi, wo sie sich regelmäßig bei der Polizei melden muss. Aus einer Tasche kramt sie einen Ordner hervor: Gerichtsurteile und Zeitungsausschnitte mit Artikeln. Daneben ist ein Foto abgedruckt: Barooroza mit Schnittwunden an Schulter und Arm.
Barooroza hatte sich 2003 mit 630 Balaalo-Familien in Kataleba niedergelassen. „Damals wusste dort noch niemand etwas von dem Öl“, sagt sie. Sie hatte mit Ngambe einen Deal ausgehandelt. Der Dorfälteste übergab einen Teil der Baumwollplantage als Weideland für die 50.000 Rinder an die Balaalo. Diese errichteten ihre Lehmhütten und verkauften den Bagungu Milch und Fleisch. „Wir hatten damals keine Probleme miteinander“, sagt sie. Ngambe bestätigt dies.
Dann kam bei den Parlamentswahlen 2006 ein neuer Abgeordneter für den frisch geschaffenen Bezirk Buliisa an die Macht: Stephen Biraahwa. Das Mitglied im Rohstoff-Ausschuss wusste von den Ölfunden und witterte Chancen, sich vor Ort und in Kampala beliebt zu machen. In der Hauptstadt kam sofort die Frage auf: Wer erhebt Anspruch auf das Land in der Öl-Region? Biraahwa befahl den Balaalo, Buliisa zu verlassen. Dies sei Bagungu-Land. Im Juli 2007 erschien er vor den Lehmhütten in Kataleba, gefolgt von wütenden Bagungu. Er schwang die Machete und verletzte Barooroza.
Barooroza lag im Krankenhaus, als sie einen Anruf erhielt: Der Chefkoordinator der Geheimdienste, General David Tinyefuza, setzte ihr eine Frist. Den Balaalo blieben drei Tage, Buliisa zu verlassen. Barooroza zückt Gerichtsdokumente. Sie hat Tinyefuza vor dem Hohen Gericht in Kampala wegen illegaler Vertreibung verklagt. Eine einstweilige Anordnung erlaubte den Balaalo, vorerst zu bleiben. Barooroza wandte sich an Präsident Yoweri Museveni. Sie traf ihn persönlich. „Er hat uns eine Entschädigung versprochen“, sagt sie nickend. Diese hat sie bis heute nicht erhalten. 2008 entschied das Höchste Gericht gegen die Balaalo.
Museveni gab den Befehl zur Operation „Gerechtigkeit“: Im Dezember 2010 marschierte Tinyefuza mit Soldaten und Polizisten ein. Sie vertrieben die Rinder, luden die Balaalo auf LKW und fuhren sie davon. „Dieser Beschluss ist endgültig“, erklärte der Geheimdienstchef. Barooroza fand sich in der Polizeistation in Masindi wieder: „Ich hatte nichts mehr.“ Die Bagungu töteten ihre 182 Rinder. „Mein Geld musste ich für die Kaution aufwenden“, sagt sie schluchzend. „Ich wünschte, sie hätten niemals Öl gefunden.“
In Katabela feiert Biraahwa die Vertreibung als Sieg für die Bagungu. Im Schulhof sind Lautsprecher aufgestellt. Biraahwa hält eine feurige Rede: Er verspricht geteerte Straßen und Entschädigungszahlungen. Die DorfbewohnerInnen jubeln. Es ist Wahlkampf und der Kandidat der Museveni-Partei NRM erhofft sich durch die Vertreibung Stimmen: „Ihr wusstet ja nicht, dass irgendwelche Nomaden euer Land stehlen würden“, wettert er. „Für diese Sünden müssen sie jetzt büßen“, sagt Biraahwa und verteilt Geldbündel an die DorfbewohnerInnen.
Dorfältester Ngambe traut den Versprechungen nicht. Er habe ein schlechtes Gewissen, sagt er. „Die Balaalo haben uns für das Land doch Geld gegeben, wir hatten eine Vereinbarung.“ Er hätte Tinyefuza angeboten, das Geld zurückzugeben. „Das Land ist eures“, habe dieser jedoch gesagt. Doch können sich die BewohnerInnen von Buliisa auch gegenüber der Regierung darauf verlassen? „Unsere Gemeinschaft bestellt hier seit Jahrhunderten die Felder.“ Sie habe jedoch keine Eigentumsdokumente. „Wenn Soldaten kommen und sagen ihr müsst gehen, was kann ich dagegen tun?“
Simone Schlindwein ist Journalistin in der Region der Großen Seen. Sie lebt seit über zwei Jahren in Uganda und reist regelmäßig nach Südsudan, Burundi, Ruanda und in den Ostkongo.
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