Tatort Gaborone

Von Michaela Krimmer · · 2011/10

Mit den Romanen über die erste Detektivin von Botswana steht Alexander McCall Smith regelmäßig auf internationalen Bestseller-Listen. Die Verfilmung der locker-leichten Detektivgeschichten ist ungewohnt gute Unterhaltung – doch mit zu wenig afrikanischer Beteiligung.

Precious Ramotswe liebt Afrika. Und sie liebt ihr Land Botswana. Deshalb verkauft sie die Rinderherde ihres verstorbenen Vaters, zieht vom Land in die Hauptstadt Gaborone und eröffnet in einem heruntergekommenen Haus ihr eigenes Unternehmen: „No.1 Ladies’ Detective Agency“ steht auf dem bunt bemalten Schild über dem Eingang zu ihrem Büro. „Ich will etwas Gutes tun“, erklärt sie die Grundlage ihrer Geschäftsidee. „Hinter jedem Fenster gibt es Menschen, die Rätsel in ihrem Leben lösen müssen.“

So beginnt die im August auf ARTE gesendete Serie „Eine Detektivin für Botswana“, die ein afrikanisches Land einen Monat lang in das TV-Hauptabendprogramm rückte. Die Bücher von Alexander McCall Smith – seit 1999 erschienen bereits zwölf Folgen –, die als Vorlage dienten, landen immer wieder auf internationalen Bestseller-Listen. Der Schotte wurde im kolonialen Rhodesien, dem heutigen Simbabwe geboren. Nach seinem Studium unterrichtete er Recht an der Universität in Schottland. Bei einem längeren Auslandsaufenthalt in Swasiland und Botswana kam seine schriftstellerische Leidenschaft hervor: Die Geschichten rund um die korpulente Detektivin Mma Precious Ramotswe, die nach eigener Definition „traditionell gebaut“ ist, waren geboren. Und sie ist wohl eine der gemütlichsten TV-Ermittlerinnen seit Miss Marple. Mit Witz, Güte und ungewöhnlichen Einfällen geht sie an ihre Fälle ran, die so gar nicht dem Mord und Totschlag-Schema der üblichen Fernsehserien im Abendprogramm entsprechen: Der fremd gehende Ehemann soll überführt werden, ein falscher Vater soll entlarvt werden, ein Sohn ist verschwunden.

Doch der Arbeitsalltag schaut zuallererst anders aus: Abwarten und Tee trinken – Buschtee, den Mma Ramotswe mit Vorliebe auf ihrer kleinen Veranda genießt. Denn die Fälle wollen und wollen nicht kommen. Dafür eine Sekretärin, die die frisch gebackene Detektivin unterstützt. Sie trägt ihre Bluse bis zum obersten Knopf zugeknöpft und legt Wert auf Ordnung und Moral. Grace Makutsi ist einer der liebenswert-verschrobenen Charaktere, die die ungewöhnliche Detektivin bei ihrer Arbeit unterstützen. So wie der schwule Friseur von nebenan oder der schüchterne Automechaniker, der Mma Ramotswe den Hof macht.


Bücher von Alexander McCall Smith:
„Mma Ramotswe und der verschollene Bruder“ Heyne, München 2010, 288 Seiten, EUR 19,50 (erscheint im Dezember als Taschenbuch) „Mma Ramotswe und das verhängnisvolle Bett“ Heyne, München 2010, 304 Seiten, EUR 9,20

Zugegeben – die naiv lockeren Fälle werden durchaus von einem kolonialen Blick aus betrachtet: wilde Tiere streifen durch das Land, die böse schwarze Magie Afrikas wird dem glücksbringenden Christentum entgegengesetzt und bei der Schulfeier werden Stammestänze im Bastrock aufgeführt. Doch: All das ist durchaus ein Teil von Botswana, dessen Regierung eine Stange Geld in die Serie fließen ließ. Man erhofft sich einen Aufschwung für den Tourismus: Gedreht wurde ausschließlich vor Ort. Andererseits spiegeln die locker-leichten Fälle die Lebensrealität von Botswana wider: 2010 gab es ein Dutzend Mordfälle im Land, im Nachbarland Südafrika waren es fünfzig – pro Tag. Ernste Themen oder Probleme erscheinen bei Mma Ramotswe durchaus, aber eher am Rande: der aidskranke Bruder von Mma Makutsi oder auch Precious Ramotswes Vergangenheit. Sie kommt selbst aus einer Ehe, in der sie geschlagen und vergewaltigt wurde.

Und so sind die Detektivgeschichten rund um Mma Ramotswe doch zu allererst eine Geschichte der Emanzipation: einer Frau, die sich nicht einschüchtern lässt vom Alleinsein und den Männern. Die etwas tun will für ihr Land und für sich. Und dies macht sie so charmant und so voller Hoffnung, dass man mit einem Schmunzeln dem bunten Treiben rund um die Detektivin zuschaut. Und die Hauptdarstellerin Jill Scott glänzt in dieser Rolle. Der einzige Wermutstropfen daran: Jill Scott ist eine US-amerikanische R’n’B-Sängerin. Ihre Kollegin Grace Makutsi wird von der US-amerikanischen Schauspielerin Anika Noni Rose verkörpert, Lucian Msamati, der Mma Ramotswes Verehrer JLB Matekoni spielt, wuchs in London auf, seine Eltern stammen aus Tansania. Der schwule Friseur ist der bekannte südafrikanische Schauspieler Desmond Dube. Nur die „normalen“ Menschen, die man in den sehr realistischen Dorfszenen zu Gesicht bekommt, sind eindeutig aus Botswana. Denn die Produktion ist fest in westlichen Händen von der britischen BBC und der US-amerikanischen HBO, gemacht für ein westliches Publikum. Trotz positiver Rückmeldungen, die viele ZuseherInnen auf die ARTE-Homepage posteten, wird es wohl keine weiteren TV-Fälle für die afrikanische Miss Marple zu lösen geben. Die Einschaltquoten waren zu niedrig.

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