Larissa Bender (Hg.)
Sachbuch. Verlag J.H.W. Dietz, Bonn 2012, 216 Seiten, EUR 14,90
Es begann damit, dass ein paar Kinder in der Stadt Deraa einen Slogan an die Wand ihrer Schule sprayten: „Das Volk will den Sturz des Regimes“. Das Regime reagierte angesichts der Umbrüche in Tunesien und Ägypten hysterisch. Die Kinder wurden verhaftet, Jugendliche, die ihre Freilassung forderten, niedergeknüppelt oder erschossen. Das war Ende März 2011. Was als ziviler Protest gegen ein repressives Regime begann, ist inzwischen zu einem von beiden Seiten mit großer Brutalität geführten Bürgerkrieg geworden.
Die mit einem Syrer verheiratete Herausgeberin, die Arabistin und Übersetzerin Larissa Bender, hat dank langjähriger Beziehungen zum Land Kontakte zu kompetenten Autorinnen und Autoren, die auch eine gute Innensicht vermitteln können. Manche von ihnen leben im Exil, andere halten die Stellung im Lande. Das unter großer Gefahr, denn alle sind im weitesten Sinne der Opposition zuzurechnen. Und wie das Regime gerade mit KünstlerInnen und JournalistInnen verfährt, die die offizielle Linie nicht nachbeten wollen, das macht dieser Band deutlich. Er ist ein leidenschaftliches Plädoyer für eine Revolution, allerdings unter demokratischen Vorzeichen.
Der Sammelband ist kein Schnellschuss und gehört trotzdem zum Aktuellesten, was man zum Syrienkonflikt auf dem deutschsprachigen Markt bekommen kann. So werden nicht nur Hintergründe über die Geschichte, die politischen AkteurInnen, die Frauen, die KünstlerInnen, die Religionen, die KurdInnen und natürlich auch die Rolle der Nachbarländer und anderer externen Player geschildert, sondern auch die Ereignisse bis zum Sommer 2012 kommentiert. Unterbelichtet bleibt allerdings der Aspekt, der BeobachterInnen im Westen nach den Entwicklungen in Ägypten und Tunesien am meisten Sorgen bereiten dürfte: dass die Revolution von islamistischen, von Saudi-Arabien gesponserten Kräften gekapert werden könnte und nach dem Sturz Assads ein weiterer Bürgerkrieg oder eine islamische Diktatur folgt. Der Journalist Yassin Al Haj Saleh schließt seinen Beitrag mit einer düsteren Warnung: „Sollte das Regime die Gewalt weiter bis zum Terror hochschrauben, wird die Entwicklung immer stärker in Richtung dschihadistischer Gewalt und ihrer terroristischen Methoden gehen.“
Ralf Leonhard
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