"Bitte keine super Ideen mehr“, sagte Stefan und bestellte sich ein alkoholfreies Bier. Joe schaute etwas zerknickt und nippte an seinem Traubensaft. Stefan war es diesmal offensichtlich wirklich ernst. Es war einfach zuviel schief gelaufen. Die letzte gemeinsame Protestaktion brachte Stefan nur Scherereien ein. Sie hatten sich als genmanipulierte Hühner verkleidet, um gegen das TTIP zu protestieren, in Strumpfhose und Life-Ball-Kostüm. Das Bild erschien in einer Boulevardzeitung und Stefans Schwiegereltern haben seit damals den Kontakt vollkommen abgebrochen. Die Enterbung von Stefans Frau steht im Raum.
Dann war da diese Protestaktion gegen die Verschmutzung eines Flusses. Während Stefan mit den Knöcheln im kalten Wasser stand und ein Transparent hielt, flirtete Joe gemütlich mit der einzigen anwesenden Journalistin. Beim Protest gegen den Bau der Schnellstraße war vereinbart worden, die Presseaussendung unter einem Pseudonym zu veröffentlichen, aber Joe setzte Stefans Kontaktdaten darunter. Die Telefone liefen heiß und Stefan verlor einen Beratungsauftrag der Landesregierung. „Die wirklich mächtigen Leute lachen sich vor Lachen tot über unsere Unbeholfenheit“, sagte Stefan.
„Ok, es läuft wirklich nicht alles rund“, meinte Joe, „aber du musst es positiv sehen. Global gesehen ist das, was wir machen, wichtig. Weltverbessern, das ist einfach wie Zusammenräumen oder Heimwerken. Es gibt halt in jedem Haus Leute, die Dreck herein tragen, die Vasen umschmeißen und Bier verschütten. Aber dann gibt es halt hoffentlich auch eine gute Oma oder einen guten Opa, die sich sagen: ‚Diese Schlingel, was die immer aufführen. Immer muss man hinterher räumen. Aber was macht man nicht alles, wenn man jemanden gern hat.‘“
Und Joe erklärte weiter: „Wenn jetzt große Konzerne den Urwald roden, oder durch einen Kraftwerksbau den Lebensraum von tausenden Leuten zerstören, dann musst du dir halt auch denken: Wir sind die gute Oma und der gute Opa und …“
Stefan war fassungslos. „Und wir räumen hinter den Unternehmen her und sagen: Was tut man nicht alles, wenn man jemanden gern hat!“
Joe gestand ein, dass der Vergleich vielleicht doch nicht so ganz optimal gewählt war. Kurz herrschte eine angespannte Stille. Die Getränke waren ausgetrunken und die Frage nach der Bezahlung stand im Raum. „Ich bezahle diesmal, aber lösch mich nicht aus deinem Handy“, bat Joe. Stefan schlug ein und sagte: „Das mit der Bezahlung ist wirklich eine super Idee.“
Georg Bauernfeind ist Kabarettist und Publizist in Wien.
Programm und Termine auf www.georg-bauernfeind.at
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