Das kleine Himalaya-Königreich Bhutan hat schon seit Jahren die Steigerung des geistigen und psychischen Wohlbefindens seiner Bürger und Bürgerinnen zum obersten Prinzip seiner Politik auserkoren. Die Andenstaaten Ecuador und Bolivien haben die alte indigene Tradition des „Guten Lebens“ als Leitprinzip in ihre neue Verfassung aufgenommen. Auch in den Industriestaaten des Nordens erfährt diese neue alte Weltsicht immer mehr Zustimmung und Interesse.
Die Begriffe Fortschritt, Entwicklung und Wachstum haben sich derart hartnäckig als pseudo-religiöse Symbole in unsere Weltsicht eingegraben, dass selbst die tiefen Krisen der letzten Jahre diese Grundpfeiler nicht wesentlich erschüttern konnten. Auch wenn das Gebäude des Spätkapitalismus Risse bekommen hat, wenn Wissenschaftler und Globalisierungskritikerinnen ihre warnenden Stimmen erheben: Medienleute und Politiker bis hin zu Gewerkschaftsführern, Männer und Frauen, werden nicht müde, den Wachstumsfetisch wie ein Mantra zu beschwören. Und wahrscheinlich glauben sie auch selbst daran und betrachten das Wirtschaftswachstum als einziges probates Mittel zur Lösung der aktuellen Probleme wie Armut, Arbeitslosigkeit, Umweltzerstörung usw. Die Steigerung des Bruttoinlandsprodukts ist ihr einziges Leitbild, an ihm orientiert sich ihr Denken und Handeln. Wie einseitig und verfälschend dieser Leitindikator ist, wird schon seit Jahren in Fachkreisen diskutiert. Es sind jedoch Staaten aus dem so genannten Süden des Erdballs, die vorzeigen, dass Alternativen nicht nur denkbar, sondern auch umsetzbar sind.
Die indigene Vision menschlicher Entwicklung: „Wir, das souveräne Volk Ecuadors, beschließen, … eine neue Form des zivilen Zusammenlebens in der Vielfalt und in Harmonie mit der Natur aufzubauen, um das gute Leben zu erreichen, das Sumaq Kawsay.“ Mit diesem einfachen Satz beginnt die Präambel der neuen ecuadorianischen Verfassung, die Ende September 2008 von zwei Dritteln der Wählerinnen und Wähler angenommen wurde.
Dieses Sumaq Kawsay, das in der Einheimischensprache Kichwa so viel wie „gutes Leben“ bedeutet, hat jedoch mit unserer an materiellen Genüssen orientierten Lebenseinstellung so gut wie nichts zu tun. Es ist vielmehr ein philosophisches Konzept der indigenen Völker der Andenregion, wo Wissen und Erfahrungen, soziale und kulturelle Anerkennung, spirituelle Werte in der Beziehung zwischen Gesellschaft und Umwelt, zwischen Menschen und Natur eine große Rolle spielen.
In einigen der folgenden Verfassungsartikel wird die indigene Vorstellung des „Guten Lebens“ in einem zeitgemäßen rechtlichen Rahmen umgesetzt. Fortschritt ist im indigenen Kontext immer zu denken als sozialer Fortschritt und nicht als eine Akkumulierung technischen Wissens und materiellen Wohlstands wie bei uns. So ist in der Verfassung festgelegt, dass der Staat die Verantwortung für die soziale Absicherung für alle Bürger und Bürgerinnen trägt und dass dieses Sozialversicherungssystem nicht privatisiert werden darf.
Auch die die Ökonomie betreffenden Artikel sollen der Umsetzung des Sumaq Kawsay dienen. Hier sind allerdings Konflikte vorprogrammiert, da die staatliche Politik der Ressourcennutzung immer wieder in Widerspruch gerät zum indigenen Interesse, den eigenen Lebensraum zu schützen und zu bewahren.
In der Verfassungspräambel wird der Natur und Pachamama, der Mutter Erde, gehuldigt, „von der wir ein Teil sind und die für unsere Existenz von vitaler Bedeutung ist“. Der Staat verpflichtet sich zum Schutz der Artenvielfalt und der Ökosysteme, Gentechnik ist verboten.
„In den indigenen Gesellschaften existiert das Konzept der Entwicklung nicht in der Form, wie es in westlichen Ansätzen vorherrschend ist. Das heißt, die Idee eines linearen Prozesses von einem Ausgangszustand zu einem späteren Zustand wird nicht geteilt und somit auch nicht das Konzept von Unterentwicklung, die überwunden werden müsste.“ So umreisst Alberto Acosta, ehemaliger Energieminister und Präsident der Verfassunggebenden Versammlung Ecuadors, einen der grundlegenden Unterschiede zwischen dem indigenen und dem abendländischen Weltbild.
Ein anderer wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Weltsichten liegt im Stellenwert der Ökonomie. Seit vielen Jahrzehnten werden in den westlichen Gesellschaften und ihren Nachahmern die wirtschaftliche Aktivität, der freie Markt, das Wirtschaftswachstum verherrlicht und als Grundlage für ein „gutes Leben“, für ein immer noch besseres Leben gesehen. Für andere Gesellschaften stehen andere Aspekte des Lebens im Vordergrund: das Wissen und die gemeinsamen Erfahrungen, menschliche Werte, die spirituellen Beziehungen zur Umwelt usw.
Wenige Monate nach Ecuador, im Jänner 2009, wurde – nach langen und teilweise blutigen innenpolitischen Auseinandersetzungen – in Bolivien mit einer Mehrheit von 62 Prozent der abgegebenen Stimmen eine neue Verfassung angenommen. Und auch hier ist das Prinzip des „Guten Lebens“ als konzeptuelle und rechtliche Leitlinie in die Magna Charta aufgenommen. Neben der Erfüllung der Grundbedürfnisse wie Essen, Trinken, Wasser, Gesundheitsversorgung und Bildung spielt auch in der bolivianischen Verfassung die Beziehung zur Pachamama, zur Mutter Erde, als philosophisch-rechtliche Kategorie eine tragende Rolle. Dazu gehört, dass die natürlichen Ressourcen gemeinschaftliche Güter gesellschaftlichen Eigentums sind und nicht privatisiert werden dürfen.
Schon im September 2008 hatte Präsident Evo Morales auf der UN-Generalversammlung den Geist der neuen Verfassung in zehn Geboten zusammengefasst, die seiner Meinung nach geeignet sind, „den Planeten, die Menschheit und das Leben zu retten“. Als zehntes Gebot nannte Morales das „Gute Leben“: „Wir, die indigenen Völker dieses Planeten, wollen einen Beitrag leisten für eine gerechte, vielfältige und ausgeglichene Welt, die einschließt und nicht ausgrenzt.“
Für seine Verdienste um einen neuen Umgang mit der Natur und der Umwelt wurde dem bolivianischen Präsidenten von der UN-Generalversammlung im Dezember 2009 der Titel „World Hero of Mother Earth“ verliehen.
David Choquehuanca ist Außenminister Boliviens und wie sein Freund Evo Morales Angehöriger des Volkes der Aymara. Er begann sich schon früh in der Bauernbewegung zu engagieren, absolvierte ein Philosophiestudium und unterrichtete ab 1990 selbst in La Paz an einer Universität Geschichte und Anthropologie. Der Minister ist auch ein erfahrener Kenner der Weltsicht der indigenen Völker der Andenregion und einer der Architekten des Artikels 8 der neuen bolivianischen Verfassung, in dem die Werte und Ziele des „Guten Lebens“ angeführt sind.
Der Mensch, auch wenn man ihn als Mitglied eines Kollektivs betrachtet, der für das Gemeinwohl mitverantwortlich ist, ist nicht die Krone der Schöpfung. Hier liegt wohl der größte Unterschied der andinen Kosmovision zum christlich-abendländischen und auch zum kollektivistischen asiatischen Weltbild. „Für uns, die wir einer Kultur des Lebens angehören, ist nicht das Silber am wichtigsten oder das Gold und auch nicht der Mensch – der kommt überhaupt erst an letzter Stelle. Am wichtigsten sind die Flüsse, die Luft, die Berge, die Sterne, die Ameisen, die Schmetterlinge“, sagt der bolivianische Außenminister.
Nicht Toleranz stehe im Mittelpunkt des Zusammenlebens, sondern der Respekt gegenüber der Mitwelt, der sich nicht nur auf die Menschen, sondern auch auf alle tierischen, pflanzlichen und mineralischen Lebewesen bezieht. Denn jedes Ding gilt als beseelt, die Schnecke genau so wie der Baum und der Stein.
Eine wichtige Rolle nimmt auch die Zusammengehörigkeit und die gegenseitige Unterstützung innerhalb der lokalen Gesellschaft ein, die zugleich eine planetarische, eine Weltgesellschaft ist. Bei der Vereidigung des neuen Kabinetts im Jänner 2010 erhob Außenminister Choquehuanca als Sprecher der Regierung das Prinzip des „Guten Lebens“ zum Regierungsprogramm: „Wir werden einen einheitlichen Willen der Veränderung ausdrücken, der unseren plurinationalen Staat mit Entschlossenheit auf den Weg des Guten Lebens führt.“
Der ecuadorianische Wirtschaftswissenschaftler Pablo Dávalos spricht davon, dass der Kapitalismus und sein Fortschrittsdenken eine der schlimmsten und tiefsten Krisen provoziert haben, welche die Existenz der ganzen Menschheit auf der Erde gefährdet: „Der Tag wird kommen, an dem das uralte Wissen der indigenen Völker die einzige Möglichkeit zeigen wird, den Planeten vor der Verwüstung des freien Marktes zu retten.“
Die Wissenschaftler im Norden werden zwar „herablassend darüber lächeln“, prophezeit der Ökonom, und die andine Weisheit als Anekdote der lateinamerikanischen Politik abtun. Doch so rein indianisch, wie es vielleicht auf den ersten Blick anmutet, ist diese Kosmovision keineswegs. Auch in unseren Breitengraden gibt es Denker und Wissenschaftlerinnen, die zum Konzept des Guten Lebens ein Naheverhältnis entwickelt haben. Etwa der in Wien geborene, vom Nationalsozialismus aus Österreich vertriebene Theologe und Philosoph Ivan Illich mit seiner radikalen Kritik am westlichen Entwicklungsmodell. Oder der erst vor zwei Jahren an seinem 97. Geburtstag verstorbene norwegische Philosoph und Tiefenökologe Arne Naess. Der US-amerikanische Forstwissenschaftler Aldo Leopold (1887 – 1948) gilt als Pionier der Ökologie und der Naturschutzbewegung; er hat schon ab 1923 eine Ethik der Nachhaltigkeit entwickelt. Voraussichtlich im Mai 2011 wird in Hamburg das zweite Aldo Leopold-Symposium veranstaltet.
Abendländische Wurzeln eines anderen Konzepts von Entwicklung kann man aber selbst in der Antike schon finden. Für Aristoteles war das Eu ze¯n, das „gut leben“, an und für sich erstrebenswert, worunter er sich ein tugendhaftes Verhalten in einem für die Mitmenschen und die Umwelt förderlichen Ausmaß vorstellte.
Bei Aristoteles und den abendländischen Denktraditionen des „Guten Lebens“ werden aber auch grundlegende Unterschiede zum indigenen Weltbild deutlich: die dominante Rolle des Individuums in Gesellschaft und Entwicklung, die Überlegenheit des Menschen über die Natur und schließlich das Primat der Männer über die Frauen. Diese werden dem „Guten Leben“ der Männer untergeordnet oder gar daraus ausgeschlossen, während in der indigenen Tradition die Geschlechter komplementäre Polaritäten sind, die sich kosmologisch in der Ordnung der Natur spiegeln. Pachamama, die Mutter Erde, ist das lebensschaffende weibliche Prinzip des andinen „Guten Lebens“.
Das kleine Königreich Bhutan am Dach der Welt hat schon vor vielen Jahren erkannt, dass ein tragfähiges Entwicklungsmodell neben materiellen auch zahlreiche andere Elemente enthalten muss. Der damalige König Jigme Singye Wangchuck hat in den 1970er Jahren begonnen, seine Vorstellung eines „guten Lebens“ umzusetzen und ein Konzept des kollektiven Wohlbefindens ausgearbeitet. An Stelle des Bruttoinlandsproduktes als Maß der Entwicklung setzte er das „Bruttonationalglück“ (Gross National Happiness, GNH).
Kern dieses Konzepts ist die gleichgewichtige Förderung von ökonomischen und nicht-ökonomischen Zielen, wie es in der neuen Verfassung des Landes verankert ist: „Der Staat soll sich darum bemühen, diejenigen Bedingungen zu fördern, die das Streben nach Bruttonationalglück ermöglichen.“
Diese nicht-ökonomischen Ziele umfassen eine große Bandbreite sozialer, kultureller und ökologischer Aspekte. Das psychische Wohlbefinden der Bevölkerung ist eines der Hauptziele der Entwicklung á la Bhutan, deren Pfeiler die Förderung einer ganzheitlichen Gesundheit, eines kreativen Bildungssystems, eines respektvollen Umgangs mit der Natur darstellen. Da die Kultur Bhutans stark buddhistisch geprägt ist, kommt auch spirituellen Haltungen und Aktivitäten eine große Bedeutung zu, wie Meditation, Gebet, geistige Ausgeglichenheit. Wichtig ist auch eine gute Regierungsführung, getragen von Effizienz, Ehrlichkeit und Qualität.
Zur Messung des Bruttonationalglücks wurden 72 Variabeln in neun Bereichen ausgearbeitet, in der auch die emotionale Seite menschlicher Erfahrung, etwa die persönliche Wahrnehmung von Gesundheit, von Zufriedenheit und Sicherheit einen großen Stellenwert einnehmen. In den Statistiken, die auf einer Messung nach den Indikatoren des Bruttoinlandsprodukts beruhen, ist das kleine Himalaya-Königreich eines der ärmsten Länder der Welt.
Auf der Suche nach der Vermessung des Glücks: Es ist interessant zu beobachten, wie das alte indigene Konzept des „Guten Lebens“ aus dem südamerikanischen Andenraum weltweit immer mehr Anklang findet und immer mehr in der Diskussion über die Indikatoren von Wohlstand und Zufriedenheit an Bedeutung gewinnt. Das Bruttoinlandsprodukt als Grundlage zur Messung des Wohlstands ist in den letzten Jahren immer mehr unter Beschuss geraten. Nicht nur in Fachkreisen. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hat im Februar 2008 Nobelpreisträger Joseph Stiglitz mit der Bildung einer Kommission beauftragt, um „die Beschränkungen des BIP als Indikator für die Wirtschaftslage und den sozialen Fortschritt“ zu untersuchen. Im September 2009 hat die aus 25 Mitgliedern, darunter fünf Nobelpreisträger, bestehende Kommission ihren Abschlussbericht vorgelegt und darin Empfehlungen zur Weiterentwicklung der statistischen Berichterstattung in den Bereichen Wirtschaft, Lebensqualität und Nachhaltigkeit/Umwelt präsentiert.
Die OECD, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, arbeitet schon seit 2004 an einem „Globalen Projekt zur Messung des Fortschritts von Gesellschaften“. Damals wurde bei einem Treffen in Palermo eine Koordinationsgruppe gebildet, die seitdem neue Referenzpunkte für Alternativen zum BIP diskutiert und ausarbeitet.
Ende Oktober 2009 veranstaltete die OECD im Rahmen dieses Forschungsprojekts in Busan in Südkorea das dritte „Weltforum für Statistik, Wissen und Regeln“. An die 2.000 (!) Fachleute aus aller Welt diskutierten realitätsnahe Indikatoren zur Messung des Wohlstandes der Bevölkerungen und überhaupt die Frage, welche Faktoren nun für die Zufriedenheit der Menschen ausschlaggebend sind.
Genau einen Monat nach dem Treffen in Südkorea fand bei den Iguaçu-Wasserfällen in Brasilien die 5. Internationale Konferenz zum Bruttonationalglück statt. Mehrere hundert TeilnehmerInnen tauschten ihre Meinungen und Erfahrungen zum Thema aus. Es war nicht überraschend, dass sie dabei bekräftigten, wie wichtig starke zwischenmenschliche Verbindungen, Mitbestimmung über das eigene Leben und Eingebundensein in die Gemeinschaft, sinnvolle Arbeit, grundlegende ökonomische Sicherheit, Vertrauen in die Regierungsführung und ähnliche Faktoren für das Gefühl der Zufriedenheit der Menschen sind.
Die Zufriedenheits- bzw. „Glücks“-Forschung hat sich mittlerweile als neuer Zweig der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften etabliert. Diesbezüglich noch eine Anmerkung zu den Begrifflichkeiten. Durch die Übersetzung von „Happiness“ mit Glück hat sich die Bezeichnung Glücksforschung eingebürgert. Zutreffender erscheint jedoch der Ausdruck Zufriedenheitsforschung. In den Umfragen wird ja erhoben, wie zufrieden die Menschen mit diesem und jenem Lebensbereich sind und nicht, ob sie sich ganz allgemein glücklich fühlen. Das bhutanesische Konzept der „Gross National Happiness, GNH“ wird allerdings weiterhin mit Bruttonationalglück übersetzt.
Die Bewegung der Weltsozialforen, die 2001 in Porto Alegre im südlichen Brasilien ihren Ausgang nahm, hat sich zur größten globalen zivilgesellschaftlichen Initiative für eine andere Welt entwickelt. „Un otro mundo es posible“, eine andere Welt ist möglich, so lautet ihr Leitspruch; und es war naheliegend, dass das indigene Konzept des „Guten Lebens“ in den Debatten dieser Bewegung einen starken Stellenwert einnehmen wird.
Beim Treffen in Belém in der Amazonasregion Anfang 2009 hatte das Weltsozialforum einen Aufruf mit dem Leitsatz „Wir wollen nicht besser leben, wir wollen gut leben!“ verabschiedet. Womit allerdings kein resignativer selbstbescheidender Rückzug auf eine Minimalvariante des Wohlstandes gemeint ist. Die Verneinung des „Besser Lebens“ stellt eine bewusste politische Kampfansage an die Ideologie des Wachstums, der Akkumulation materiellen Reichtums und des zunehmenden Verbrauchs von Gütern dar. „Gut leben“ hingegen bedeutet, gegen die Vermarktung des Lebens zu kämpfen, für die Verteidigung der „Mutter Erde“, gegen die Krisen des dominanten neoliberalen Systems, für eine Demokratisierung der Staaten und eine Humanisierung der Wirtschaft.
Die Philosophie des „Guten Lebens“ bedeutet einen völligen Paradigmenwechsel, eine Gesamtalternative zu den Krisen des Kapitalismus und der Zivilisation, eine universelle Perspektive, die unter anderem auf der Verteidigung der gemeinsamen Güter beruht, der so genannten „Commons“.
Das sind „Beziehungen zwischen sehr unterschiedlichen Gruppen weltweit und den Dingen, die sie brauchen, um sich zu reproduzieren, um zu produzieren – Ressourcen also, die niemand individuell hergestellt hat, auf die es einen kollektiven Zugriff geben muss: Wasser, Land oder Luft, aber auch Software-Codes, genetische Codes“. So definiert Silke Helfrich, Romanistin und Publizistin aus Jena, kurz die Gemeingüter. Sie referierte vergangenes Jahr beim Weltsozialforum in Porto Alegre und brachte die Thematik auf einen kurzen Nenner: „Gutes Leben heißt nicht Streben nach mehr Konsum, sondern nach Autonomie, Selbstbestimmung und vor allem Selbstentfaltung.“
Durch die Einbindung des alten andinen Konzepts des „Guten Lebens“ in die Diskussionen auf den Weltsozialforen erhält diese indigene Kosmovision eine Aktualisierung, die es für viele Menschen auf der ganzen Welt interessant macht. Ihm können sich auch Leute anschließen, die sich in den letzten Jahrzehnten enttäuscht von linken Modellen sozialer Transformation abgewendet haben. So kann das „Gute Leben“ der indianischen Völker aus den Anden zu einer universellen Perspektive werden, die eine grundlegende Antwort auf die zahlreichen Krisen findet, die unser Wirtschaftssystem und unsere politischen Systeme erschüttern.
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