Edition Trickster im Hammer Verlag, Wuppertal 2007, 267 Seiten, € 19,90
Bernhard Streck leitet derzeit das Institut für Ethnologie in Leipzig und bereist Sudan seit über dreißig Jahren. Sein äußerst fundiertes detailreiches Buch setzt allerdings Grundkenntnisse über den Sudan voraus – kein Buch für LeserInnen also, die sich eine Art Reiseführer mit Kurzinformationen erhoffen. Diese findet man allerdings in den äußerst interessanten und lebendigen Reisereportagen, die in Kursivdruck die einzelnen wissenschaftlichen Kapitel trennen: Wochenlange Schifffahrten durch den Blauen Nil abwärts bis Juba, tagelange Pistenfahrten hoch oben am LKW eines wohlwollenden Händlers weitab der Zentren, die verrottete ehemalige britische Wüstenbahn nach Nyala in Darfur, Diskussionen über Adolf Hitler am Omdurman-Markt.
Der Großteil des Buches ist aber – eher trockenen – wissenschaftlichen Höhenflügen gewidmet. Im ersten Teil wird der Koloss Sudan aus seiner Geschichte heraus erklärt: Traditionen, Götter und Geisterglaube, die bis heute wirksam sind; die Gewaltgeschichte von Handel und Krieg im schwarzen und arabischen Sudan. Wer wusste z.B. schon, dass angesehene europäische Händler, darunter auch Österreicher, sich im Sudan goldene Nasen im Sklavenhandel verdienten, und das noch in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts?
Der zweite Teil zeigt die Vielfalt der Widersprüche: Männer- und Frauenkultur, Alltag und Festtag, Armut und Wohlstand. Traditionelle Schrott-Schmiede, ganz unten in der sozialen Hierarchie, deren faszinierende Gebrauchskunst erst über den Umweg von Strecks Universität Anerkennung und Beachtung der sudanesischen Oberschicht fand. Der dritte Teil untersucht das „Dilemma der Entwicklung“, die Entwicklung von Verwaltung und Rechtssprechung; „Heiden“ versus Moslems; Menschenrecht versus Gottesrecht. Der Mahdi-Fundamentalismus von einst – und heute der „Rückfall“, die „Tradition“ unter General Numeiri und Hassan al Turabi: Abhacken der Hände bei Diebstahl, Auspeitschen bei Unmoral und Steinigung bei Ehebruch. Ein faszinierendes Buch – allerdings nicht für Schnell-LeserInnen.