Warum sie sich in ihrer Heimat Honduras gegen Staudammbauten und andere Megaprojekte einsetzt, erzählte Bertha Zúniga im Interview.
Welche Veränderungen gab es in Honduras seit dem Putsch 2009?
Die Regierung setzt auf Extraktivismus. Es wurde ein rechtlicher Rahmen für die Ausbeutung von Bergbauprodukten und anderen natürlichen Ressourcen geschaffen. In der Folge wurden 300 Wasserkraft-Konzessionen und etwa 850 im Bergbausektor vergeben. Zudem wurden Anreize geschaffen, um touristische Megaprojekte voranzutreiben. Eine zweite wichtige Veränderung seit dem Putsch 2009 ist die zunehmende Militarisierung des Landes. Es wurden Militärstationen eröffnet, die dem Schutz der Investitionen und Großprojekte, vor allem auf indigenem Gebiet, dienen. Neu geschaffene Spezialeinheiten greifen in viele Territorialkonflikte ein.
Die 1990 geborene Bertha Zúniga ist honduranische Radiomacherin, Feministin und Aktivistin des COPINH („Consejo Cívico de Organizaciones Populares e Indígenas de Honduras“). In der sozialen Basisorganisation engagieren sich 200 indigene Gemeinschaften gegen den Ausverkauf ihres Landes und für ein gesellschaftspolitisches Gegenmodell, getragen von einem holistischen Ansatz. Kürzlich besuchte sie Wien.
Warum häufen sich diese Konflikte, gerade zwischen Regierung und indigener Bevölkerung?
Das größte Problem der Regierung ist die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), die die gemeinschaftliche Nutzung bestimmter Gebiete durch die indigene Bevölkerung regelt. Projekte sind dort nur möglich, wenn die lokale Bevölkerung zustimmt. Um den Anwendungsbereich der ILO-Konvention 169 zu verkleinern, startete die Regierung nach dem Putsch die Neuordnung der Landtitel und entzog vielen indigenen Völkern das Recht auf kollektive Landnutzung. Mit den neuen Gesetzen kann die Regierung außerdem zivilgesellschaftlichen Widerstand mit legalen Mitteln unterdrücken. Das Problem geht aber über die Regierungspartei PNH hinaus. Viele Oligarchen sind anderen oder gar keinen Parteien zuzuordnen. Auch multinationale Konzerne spielen eine wichtige Rolle. Unterstützt werden sie durch wohlwollende Berichterstattung in den Mainstream-Medien und durch militärische Einsatzkräfte.
Welchen Gefahren sind indigene AktivistInnen in Honduras ausgesetzt?
Wir werden ständig bedroht und eingeschüchtert – von staatlichen und paramilitärischen Milizen, die enge Verbindungen zu hochrangigen Politikern und Unternehmern aufweisen. Viele unserer Mitstreiter, Männer und Frauen, wurden ermordet. Die Konzerne und ihre Handlanger profitieren dabei vom allgemeinen Klima der Korruption und Straflosigkeit in Honduras. Außerdem werden unsere AktivistInnen kriminalisiert und angezeigt – etwa wegen der Beschädigung von Firmeneigentum oder wegen Verleumdung.
Welche Rolle spielt das organisierte Verbrechen?
Honduras ist für den Drogenschmuggel strategisch wichtig. Natürlich gibt es viele Verbrechen und Morde, aber die Ursachen der Gewalt werden kaum analysiert. Somit wurde ein Diskurs geschaffen, der die Ausweitung von Militäreinsätzen legitimiert und international als Fortschritt in Sachen Menschenrechte verkauft. In Wahrheit dient die Militarisierung aber oft dem Ziel, indigenen Widerstand zu brechen und das extraktivistische Wirtschaftssystem zu vertiefen.
Was wäre für eine tiefgreifende Transformation in Honduras notwendig?
Ein erster Schritt könnte eine verfassunggebende Versammlung sein. Außerdem ist eine Stärkung der sozialen Bewegungen notwendig, um Druck auf die konservative Elite auszuüben und alternative Ideen und Forderungen sichtbar zu machen. Auch internationale Netzwerke sind wichtig, um die öffentliche Aufmerksamkeit auf unsere Anliegen zu lenken.
Interview: Manuel Preusser, Student und freier Journalist in Wien.
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