Selbstgebastelte Angel unerwünscht?

Von Erwin Ebermann · · 2002/07

Dem „Radio Tribüne Afrika“ droht die Streichung der gesamten Fördermittel. Gerade in Zeiten, in denen AfrikanerInnen häufig mit DrogendealerInnen gleichgestellt werden, sollte solch ein Organ der Selbstfindung und Völkerverständigung nicht zerstört werden.

Radio Afrika stellt in Kürze seine Tätigkeit ein. Die von AfrikanerInnen aufgebaute und mehrfach prämierte Initiative erhält – so wie es derzeit aussieht – künftig keine Subvention der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit mehr. Diese war schon bisher nicht berühmt: 7000 _ pro Jahr für 1400 Radiosendungen, für JournalistInnenausbildung und vieles anderes mehr. Für eine derartige Sendung würden JournalistInnen allein 500-1000 Euro an Honorar kassieren. MitarbeiterInnen von Radio Afrika berichten von informellen Gesprächen, in denen folgende Nichtfinanzierungsgründe genannt wurden:
a) chaotische Buchhaltung; b) ein führender Mitarbeiter soll publizistisch am Genozid in Ruanda mitgewirkt haben; c) dieser Mitarbeiter sei außerdem für eine Exilpartei Ruandas tätig, was die objektive Berichterstattung gefährde. Im Außenministerium reagierte man auf meine schriftliche Anfrage über die tatsächlichen Beweggründe nicht.
Berechtigt wirkt der Vorwurf der chaotischen Buchhaltung, doch bei welchen Dimensionen? Bei einer Monatsmiete von 1000 _, vorher 2000 _, deckt die Subvention nicht einmal die Miete ab, geschweige denn Arbeit, Telefon, Technik, EDV usw. Nur ein Zwölftel des Aufwands wird subventioniert, der Rest vom Idealismus von Menschen in oft prekärer Lage getragen. Wo ist da die Gefahr des Mittelmissbrauchs?
Die Mitwirkung am Genozid erscheint kaum möglich, lebte die beschuldigte Person zur Zeit des Genozids doch bereits jahrelang in Wien. Der Radio-Afrika-Mitarbeiter ist Sprecher der Partei FDLR. Parteimitgliedern wird Mitschuld am Genozid nachgesagt. Doch scheint die Faktenlage dürftig. Und die Parteimitarbeit als Gefahr für objektive Berichterstattung? Wäre dies hierzulande ein Skandal, stünde eine Schließung des ORF bevor.

Radio Afrika ist eine Initiative von (inkl. KorrespondentInnen) 28-32 Personen, nur zwei davon kommen aus Ruanda. Rechnen wir: vier einstündige Sendungen pro Tag, das würde ca. 1400 Stunden pro Jahr entsprechen. Pro Woche werden 4-5 Sendungen à 15 Minuten in die Region der Großen Seen ausgestrahlt, d. h. nur 3,5% der Sendezeit wären für diese Politpropaganda interessant. Doch werden diese Sendungen von einer Journalistin gestaltet, die zuvor Themen und Infos mit der Kernredaktion abstimmt (meist 10-12 Personen). Die umstrittene Person bei Radio Afrika hingegen macht seit einem Jahr keine Sendungen mehr und kündigte unlängst ihren gänzlichen Rückzug an.
Nach anderen Aussagen erfolgt die Einstellung wegen journalistischer Mängel, wofür Beiträge über die Entwicklungszusammenarbeit und das Afroasiatische Institut (AAI) in Wien genannt werden. Auch ich fand einen Artikel über das AAI in der „Tribüne Afrikas“, erschienen als Beilage der „Wiener Zeitung“, tendenziös, aber auch diverse Artikel von „New York Times“ und „Le Monde“. Ansonsten dominiert seriöse engagierte Arbeit. Beweis: Radio Afrika wurden bereits vier hohe Preise für entwicklungspolitische Berichterstattung verliehen.

Haben MitarbeiterInnen von Radio Afrika recht, die die Nichtförderung auf kritischen Journalismus über blinde Flecken der lokalen EZA zurückführen? Ich würde dies nicht ausschließen. Radio Afrika berichtet engagiert und mutig, daher halte ich negative Erfahrungen für möglich, weil nicht alle MitarbeiterInnen des Außenministeriums mit anderen Meinungen sehr gut umgehen können.
Eine Nichtfinanzierung würde ich vor allem aus folgendem Grund nicht verstehen: Radio Afrika ist ein lebender Gegenbeweis gegen die Gleichsetzung von AfrikanerInnen mit DrogendealerInnen und ein wichtiges Organ der Selbstfindung und Völkerverständigung.
Selbst die Vorwürfe beziehen sich nur auf einen Bruchteil des Projekts. Es ist nicht angemessen, was Radio Afrika für 7000 _ leistet, sondern sensationell. Wir sollten dieses Vorzeigemodell nicht leichtfertig zerstören. In der Privatwirtschaft wären solch „billige“ und gute Projekte ein Geschenk des Himmels: „Seht, was wir mit wenigen Mitteln erreichen“. Im Staat scheinen mitunter andere Gesetze zu gelten.
Es ist auch eine Prüfung der Glaubwürdigkeit unserer entwicklungspolitischen Schlagwörter: Wollen wir „Bunte Wiesen“ im EZA-Bildungsbereich, müssen wir afrikanische Initiativen stärker fördern; wollen wir „Hungrigen keine Fische, sondern eine Angel geben“, sollten wir selbstgebastelte Angeln wie Radio Afrika erhalten; sprechen wir von „selbstbestimmter Entwicklung“, sollten wir andere auch bei eigenständigen Meinungen unterstützen.

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