Selbst ist das Dorf

Von Redaktion · · 2017/02

Wie dank der in Indien gegründeten Organisation Barefoot College weltweit Dörfer ihre eigene Infrastruktur verbessern, fand Stefanie Braunisch heraus.

Bunker Roy wirkt wie ein Mann, der mit sich und der Welt in Einklang steht. Er sitzt entspannt bei einer Tasse Schwarztee mit Milch, während er ruhig davon erzählt, wie eine einfache Idee den Alltag für Millionen Menschen weltweit revolutioniert hat.

Roy stammt aus Burnpur, einem Teil der Stadt Asansol im Nordosten Indiens. Anfang der 1960er Jahre besuchte er das angesehene St. Stephen’s College in Delhi. Im Gegensatz zu vielen anderen indischen Studenten zog es ihn danach aufs Land. „Ich wollte sehen, wie es am Land ist und habe daraus dann auch viel gelernt. Mir war davor nicht klar, dass Armut in so einem Ausmaß existiert und grundlegende Versorgung fehlt“, so Roy im Rückblick. „Es war überraschend, dass die Menschen sich nicht bewusst waren, wie viele Ressourcen in einem Dorf eigentlich vorhanden sind.“

Von Tilonia in die Welt. 1972 gründete er daraufhin das Barefoot College im Dorf Tilonia, im westindischen Bundesstaat Rajasthan. Zuerst arbeitete das College daran, den Zugang zu Trinkwasser zu erleichtern, mit der Zeit wurde das Projekt größer, und immer internationaler: Aktuell gibt es 1.300 Dörfer auf drei Kontinenten, auch Trainingszentren sollen entstehen.

1975 wurde in Tilonia eine eigene Abendschule für Kinder, die tagsüber arbeiten müssen, gegründet; bis heute haben rund 70.000 Kinder die Abendschulen des Barefoot College besucht.

Neben den LehrerInnen geben dabei alle DorfbewohnerInnen ihr Berufswissen weiter. Mittlerweile gibt es Ausbildungen für Gesundheits-, Handwerks- und Kommunikationsberufe.

Lösungen erarbeiten. Das Barefoot College ist keine klassische Bildungseinrichtung. Viel eher entstand eine Gemeinschaft, die gemeinsam neue Lösungsmöglichkeiten mit den vorhandenen Ressourcen schafft. Die Einbindung der Dorfbewohnerinnen und -bewohner ist dabei das wichtigste Element. Das Barefoot College bildet hauptsächlich Analphabeten aus. „Bottom-up“ ist die Devise, die sich auch im Namen des Barefoot-Ansatzes wiederspiegelt.

Solar-Mamas. In den 1990ern entstand der zusätzliche Fokus auf Solar­­­­energie. Genauso wichtig wie Nachhaltigkeit ist Gleichberechtigung. Deshalb werden im Solar-Bereich nur Frauen ausgebildet, um genau zu sein, Frauen mittleren Alters und Großmütter – die sogenannten Solar-Mamas. Die sind in Dorfgemeinschaften besonders gut vernetzt, genießen den Respekt der Gemeinschaft und haben viel Erfahrung. „Sie sind sehr klug, mutig und entschlossen. Großmütter bleiben auch in den Dörfern, weil sie dort verwurzelt sind“, ergänzt Roy. „Außerdem haben Männer lange genug Zeit gehabt. Jetzt sind die Frauen dran, sie werden die Welt verändern und zukünftige Vorbilder sein.“

Die Solar-Mamas werden in Tilonia sechs Monate lang zu Solartechnikerinnen ausgebildet. Bis heute haben Frauen aus 77 Ländern ihre Dörfer solarelektrifiziert. Neben Strom erhält die Bevölkerung dort dadurch sauberes Trinkwasser, Kochmöglichkeiten und Warmwasser.

Großer Effekt. Bunker Roy hat weltweit Anerkennung erhalten, 2008 ernannte die britischen Zeitung Guardian ihn zu einem der 50 Menschen, die die Welt verändern können, 2010 wählte das Time Magazine ihn zu einem der 100 einflussreichsten Menschen der Welt.

Er selbst erklärt sich den Erfolg aber mit der Wirksamkeit der direkten Einbindung der Menschen. Auf der Basis einer wichtigen Regel: „Unterschätze niemals eine Großmutter.“

Stefanie Braunisch ist freie Journalistin und lebt in Wien. Das Gespräch mit Bunker Roy kam im Zuge der Tagung „Nachhaltige Energie für alle“ Ende 2016 in Wien zustande.

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