Die Forderung nach einer globalen Besteuerung der Superreichen hat im Sommer Rückenwind bekommen.
Die Boulevard-Presse war sich diesen Sommer einig: In Saus und Braus würden hierzulande Geflüchtete leben. Der Fall einer syrischen Großfamilie in Wien, die 4.600 Euro Mindestsicherung bezieht, sorgte wochenlang für Diskussionen. Dass die neun Familienmitglieder mit diesem Geld noch immer unter der Armutsgrenze stecken, wurde kaum erwähnt. Während die rechte Seite die Aufregung bestens für sich zu nutzen weiß, bezeichnete Sozialminister Johannes Rauch das Ganze als „schäbige Debatte“. Zu Recht.
Statt eine Neiddebatte nach unten zu führen, sollten wir viel mehr die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich aufs Tapet bringen. Seit 2014 hat sich das Vermögen der Superreichen exponentiell vermehrt, zeitgleich ist ihre effektive Steuerlast auf einen historischen Tiefpunkt gesunken. Heute zahlt das reichste ein Prozent der Weltbevölkerung weniger Steuern als jemals zuvor. Davon geht ein aktueller Bericht der internationalen Entwicklungsorganisation Oxfam aus. Ihr Fazit: Je mehr Vermögen, desto weniger Steuern.
Reiche werden reicher. Brasiliens Regierung will das jetzt ändern. Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, derzeit Vorsitzender der G20-Runde der führenden Wirtschaftsmächte, hat Ende Juli die Forderung nach einer globalen Besteuerung der Superreichen konkretisiert. Die Grundidee wurde vom französischen Ökonom Gabriel Zucman erarbeitet: Privatpersonen, die über mehr als eine Milliarde US-Dollar verfügen, sollen zwei Prozent ihres Vermögens als Steuern abgeben. Wer bereits hohe Vermögens- oder Einkommenssteuern zahlt, ist ausgenommen.
Eine solche „Milliardär:innenssteuer“ würde weltweit 3.000 Menschen betreffen. Die potenziellen Einnahmen: 200 bis 250 Milliarden Dollar. Für Zucman könnte so eine grundlegende Ungerechtigkeit korrigiert werden. Derzeit zahlen die Reichsten weniger Steuern als ihre Chauffeur:innen, Hausangestellten oder der Rest der Bevölkerung, sagt er gegenüber dem deutschen Nachrichtenportal Deutsche Welle.
Der Rest von uns. Niemand wird gutheißen, dass Milliardär:innen weniger bezahlen als der Rest von uns, richtig? Auch nicht die Boulevard-Presse. Beim Treffen in Rio de Janeiro erhielt der brasilianische Vorstoß jedenfalls Rückenwind von den G20-Finanzminister:innen. Unterstützung kam auch aus prominenter Ecke: Fast 20 ehemalige Staats- und Regierungschefs haben einen offenen Brief unterzeichnet, der die aktuellen G20-Regierungen zur Umsetzung aufruft. Und selbst mehrere Superreiche haben sich Anfang des Jahres beim Weltwirtschaftsforum in Davos mit der Kampagne „Proud to pay more“ dafür ausgesprochen, höhere Abgaben zu leisten. Klingt also gar nicht mehr so utopisch.
Die gegenwärtigen Krisen kosten Geld. Angesichts der Klimakrise und der weltweit wachsenden sozialen Ungleichheit, ist die Zeit überreif für eine gerechtere Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums. Auch in Österreich. Das sei den politischen Parteien für die nächste Legislaturperiode ins Stammbuch geschrieben. Von einer gerechteren Steuerpolitik profitieren alle Menschen. Ganz ohne Neid.
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