„Schulden sind zu bezahlen, basta.“

Von Redaktion · · 2016/02

Ich lernte einmal einen Mann aus einem indischen Dorf kennen, der seine ganze Kindheit und Jugend als Sklave verbrachte, weil ein Grundherr für eine Decke bezahlt werden musste, die er dem Vater des Mannes auf Kredit gegeben hatte. Die „Schuld“ war noch immer nicht bezahlt, als er im mittleren Alter von einer zivilgesellschaftlichen Organisation aus der Schuldknechtschaft befreit wurde.

Dieses Extrembeispiel veranschaulicht, dass es bei Schuldverhältnissen nicht bloß um Leihen und Borgen geht, sondern auch um Ungleichheit. Ein anderes Extrembeispiel: In diesem Jahr stieg der Anteil des reichsten Prozents der (erwachsenen) Weltbevölkerung am weltweiten Vermögen auf 50 Prozent. Auf 71 Prozent der Weltbevölkerung am Fuß der Vermögenspyramide (3,386 Mrd. Menschen) entfielen nur drei Prozent davon. 1 Das gibt zu denken: Was heißt eigentlich: „im Rahmen seiner Möglichkeiten“ leben?

Auf weltweiter Ebene führt das nicht nur dazu, dass Menschen und Länder verstärkt auf Verschuldung angewiesen sind: enorme Summen werden in völlig unproduktive, spekulative Finanzgeschäfte investiert – hohes Risiko, hoher Ertrag. 2 Und es erzeugt eine kleine Klasse von Rentiers, deren einzige Funktion darin besteht, sich des Instruments der Schulden zu bedienen, um sich auf Kosten der übrigen Welt weiter zu bereichern. 3

„Es gibt keine bessere Methode, auf Gewalt gegründete Beziehungen zu rechtfertigen, ihnen einen Anschein von Moral zu verpassen, als sie in die Begrifflichkeit eines Schuldverhältnisses zu kleiden – vor allem, da sich das Opfer damit unmittelbar im Unrecht zu befinden scheint.“

David Graeber, Debt: The first 5,000 years, 2012

Anrüchige Schulden. In den 1970er Jahren schwammen die westlichen Banken in Petrodollars, was sie auf die Idee brachte, den korruptesten Regimen des Südens billige Kredite anzudienen. Es war ihnen völlig bewusst, dass die jeweiligen DiktatorInnen und ihr engster Umkreis das Geld einstecken und die Menschen dieser Länder zur Leistung eines horrenden Schuldendienstes gezwungen sein würden – manchmal musste ein Mehrfaches der ursprünglichen Schuld bezahlt werden, und die Wirtschaften dieser Länder wurden weiter ruiniert.

Solche Schulden werden als „anrüchig“ bezeichnet, und es wäre nur angemessen gewesen, die Gläubiger zu bestrafen. Stattdessen besserte sich die Lage vieler verschuldeter Länder erst in diesem Jahrtausend, nach einer breiten Kampagne für einen Schuldenerlass. Heute gibt es Anzeichen, dass einige der ärmsten Länder der Welt in eine neue Schuldenfalle gelockt werden. 2

Und während man mittlerweile einiges unternommen hat, um das Problem der illegitimen Schulden zu lösen, weigern sich rechtsgerichtete Regierungen im Westen, völlig legitime Schulden aufzunehmen, die ihre Länder dringend benötigen – wegen der Finanzkrise, verursacht von der Elite, mit der diese Regierungen beste Beziehungen unterhalten.

Dinyar Godrej

Copyright New Internationalist

1)    Credit Suisse, Global Wealth Report 2015, Oktober 2015, Download: publications.credit-suisse.com/index.cfm/publikationen-shop/research-institute

2)    Jubilee Debt Campaign, The new debt trap, Juli 2015, jubileedebt.org.uk/wp-content/uploads/2015/07/The-new-debt-trap-report.pdf

3)    David Graeber, „Can debt spark a revolution?“, The Nation, 5. September 2012.

Basic

Berichte aus aller Welt: Lesen Sie das Südwind-Magazin in Print und Online!

  • 6 Ausgaben pro Jahr als Print-Ausgabe und/oder E-Paper
  • 48 Seiten mit 12-seitigem Themenschwerpunkt pro Ausgabe
  • 12 x "Extrablatt" direkt in Ihr E-Mail-Postfach
  • voller Online-Zugang inkl. Archiv
ab € 25 /Jahr
Abo Abschließen
Förder

Mit einem Förder-Abo finanzieren Sie den ermäßigten Abo-Tarif und ermöglichen so den Zugang zum Südwind-Magazin für mehr Menschen.

Jedes Förder-Abo ist automatisch ein Kombi-Abo.

84 /Jahr
Abo Abschließen
Soli

Mit einem Solidaritäts-Abo unterstützen Sie unabhängigen Qualitätsjournalismus!

Jedes Soli-Abo ist automatisch ein Kombi-Abo.

168 /Jahr
Abo Abschließen