Das kanadische Unternehmen Candente will in einem unberührten Teil Perus Gold, Silber und Kupfer fördern – trotz Widerstands der lokalen Bevölkerung. Eine Reportage von NI-Autorin Roxana Olivera.
Rosa Sara Huamán steht neben mir im Nebel auf einem Berghang im Kañaris-Nebelwald im Norden Perus. Sichtlich frustriert beobachtet sie die zwei Pick-ups, die sich auf das kleine Dorf unten im Tal zubewegen. Als sich Lücken im Nebel auftun, dem Markenzeichen dieser wunderbaren Landschaft, kann man die beiden Fahrzeuge kurze Zeit klar erkennen: voller Polizisten das eine, auf dem anderen drängen sich Männer in Bluejeans und Ponchos zusammen.
Im Dorf versammeln sich Abgesandte der lokalen Ketschua-Gemeinschaften (Inkawasi-Kañaris), um eine Abstimmung abzuhalten. „Auf dieser Versammlung werden wir entscheiden, ob es eine unabhängige Studie geben soll, um die potenziellen Auswirkungen von Bergbauaktivitäten auf unser Wasser, die Umwelt und unser Leben zu bewerten“, erklärt Huamán.
Huamán ist Sekretärin der „Rondas Campesinas“, der bäuerlichen Selbstverwaltung in der Region. „Aber immer wenn wir unsere Versammlungen abhalten, kommen Leute, die nicht hier leben, um unsere Diskussion zu stören und sich in den Entscheidungsprozess einzumischen. Heute wird das wieder so sein, darauf wette ich.“
Wie sich herausstellt, hat Huamán recht. Die Abgesandten der indigenen Gemeinschaften stimmten einhellig für eine gründliche und unabhängige Umweltverträglichkeitsprüfung. Die Männer, die mit den Pick-ups kamen, stimmten alle dagegen. Aber nicht nur das. Viele der Fremden versuchten, zweimal abzustimmen – während einer ihrer Kompagnons für ein Durcheinander sorgte, indem er vortäuschte, völlig betrunken zu sein.
Betrug und Manipulation sind in Zusammenhang mit Bergwerksprojekten in Peru in den letzten Jahren zur Norm geworden, insbesondere dort, wo es starken lokalen Widerstand gibt. In einem im Mai veröffentlichten Bericht dokumentierte die peruanische Ombudsstelle (Defensoría del Pueblo) 135 aktuelle Umweltkonflikte, die hauptsächlich auf Bergbau- und Ölförderprojekte zurückzuführen sind. Der Fall in Kañaris gehörte dazu.
In San Juan de Kañaris geht es um das Bergwerksprojekt Cañariaco der kanadischen Candente Copper Corporation, die 1,5 Mrd. US-Dollar in den Abbau von Kupfer, Gold und Silber investieren will. Das Projekt soll auf dem angestammten Land der Inkawasi-Kañaris realisiert werden. Die Konzession umfasst nicht weniger als 96% ihres Terri-toriums, mehr als 10.000 Menschen werden wahrscheinlich umgesiedelt werden müssen. Gespräche darüber gab es noch keine.
Die indigene Bevölkerung fürchtet, dass das Bergbauprojekt ihren Nebelwald zerstören, ihre Flüsse verschmutzen und ihre Lebensgrundlagen vernichten könnte. Viele haben sich bei den Behörden darüber beklagt, dass Candente Explorationsaktivitäten auf ihrem Land durchführt, ohne sie konsultiert und ohne ihre Genehmigung eingeholt zu haben. Gemäß dem peruanischen Gesetz über die Vorab-Konsultation („consulta previa“) benötigt Candente die Zustimmung von zumindest zwei Drittel der lokalen Bevölkerung, die allerdings nicht vorliegt.
Das Recht indigener Gemeinschaften auf Konsultation und Mitsprache ist übrigens auch im Übereinkommen 169 der International Labour Organisation (ILO) verankert.
Die Menschen in Kañaris haben kein Vertrauen in staatliche Institutionen, was unter anderem an der Doppelrolle des peruanischen Bergbauministeriums liegt: Förderung der Entwicklung des Bergbaus und Genehmigung von Umweltverträglichkeitsprüfungen. Nachdem auf ihre Klagen nicht reagiert wurde, beschlossen viele, sich an Protestaktionen zu beteiligen – mit schwerwiegenden Folgen. Gegen Huamán und andere Angehörige der lokalen Bevölkerung laufen in mehreren Fällen polizeiliche Ermittlungen; Huamán wird ständig belästigt und hat bereits Morddrohungen erhalten.
Welche Rolle die Regierung in Kanada bei alldem spielen könnte, war Gegenstand eines Berichts einer NGO-Koalition, der Working Group on Mining and Human Rights in Latin America, der dieses Jahr veröffentlicht sowie der Interamerikanischen Menschenrechtskommission vorgelegt wurde („The Impact of Canadian Mining in Latin America and Canada’s Responsibility“).
Kanadische Unternehmen, so der Bericht, machen sich die Schwächen der Rechtsordnungen sowohl in Lateinamerika als auch in Kanada zunutze und sind für „gravierende Umweltschäden“ und Zwangsumsiedlungen verantwortlich. Und sie können sich dabei auf Unterstützung der Regierung verlassen.
„Kañaris war einmal ein Ort des Friedens. 30 Jahre lang hatten wir hier nicht einmal eine Polizeistation“, erklärt Huamán und zeigt auf das Gebäude unten. „Dann kommt das Bergwerk, und plötzlich errichtet die Regierung eine Polizeistation. Kriminalität ist bei uns kein Problem. Wir verteidigen einfach unser Wasser und unsere Lebensgrundlagen. Die Polizei ist hier, um das Bergwerk zu schützen, nicht die Menschen!“
Copyright New Internationalist
Roxana Olivera schreibt im New Internationalist regelmäßig zu Lateinamerika-Themen.
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