In Zeiten der Finanzkrise wird so viel Entwicklungshilfe geleistet wie nie zuvor. In Österreich klaffen diesbezüglich Selbsteinschätzung und Fremdwahrnehmung weit auseinander.
Seit 1929 ist der weltweite Handel nicht mehr so geschrumpft wie derzeit. Nichtsdestotrotz wurde in den Industrieländern 2008 mehr für öffentliche Entwicklungshilfe (ODA) ausgegeben als je zuvor, meldet der Entwicklungshilfeausschuss DAC der OECD-Staaten in seinem jüngsten Jahresbericht. Das ist nicht nur human und solidarisch, sondern auch gutes (Finanz)krisenmanagement.
Entwicklungsländer sind von der Wirtschafts- und Finanzkrise, die sie nicht verursacht haben, am stärksten betroffen. Die Weltmarktpreise für Rohstoffe, von deren Exporte viele Entwicklungsländer abhängig sind, fallen, Direktinvestitionen und Rücküberweisungen von MigrantInnen sinken. Obendrein wurden die nationalen Haushalte durch die hohen Energie- und Nahrungsmittelpreise im Vorjahr geschwächt.
Entwicklungshilfe kann antizyklisch und entlastend wirken. Auch im eigenen Interesse. Die reichen Länder werden sich nicht auf Dauer erfolgreich gegen die Armut im Rest der Welt abschotten können.
Trotz Krise rechnet die OECD mit einer weiteren Aufstockung der programmierten Hilfe bis 2010. Die internationalen Verpflichtungen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit wurden von den DAC-Mitgliedern bekräftigt. In den Industrieländern bahnt sich offenbar die Einsicht den Weg, die akute globale Krise könne nur global gelöst werden.
Und hierzulande? Österreich habe mit seiner ODA-Leistung „einen Platz im Mittelfeld der DAC-Staaten“ erreicht, meldet die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit.
Aus der Feder von ZeitungskommentatorInnen und VertreterInnen von Nichtregierungsorganisationen liest sich das anders: Von Zahlentricks, einer Blamage, einem Schlag ins Gesicht der Armen, einer baldigen Zukunft als Entwicklungshilfeschlusslicht … ist da die Rede. Die 0,42 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE), die Österreich im Vorjahr an ODA leistete, entsprechen tatsächlich dem Durchschnittswert der Leistungen aller OECD-Länder. Verdorben wird dieser Platz im Mittelfeld dadurch, dass Österreich offenbar mit allen Mitteln vermeidet, „frisches Geld“ für Entwicklungshilfe in die Hand zu nehmen. Ohne Schuldenerlass lag die heimische ODA 2008 deutlich unter der Hälfte der verbindlichen Zielvorgabe für 2010, 0,51 Prozent des BNE für diesen Bereich aufzuwenden. 14 der 15 EU-Staaten, die auch OECD-Mitglieder sind (und daran muss sich Österreich messen), verzeichneten eine Zunahme im Bereich öffentlicher Entwicklungshilfe, überwiegend im Bereich bilateraler Zusammenarbeit. Österreich als Ausnahmefall hingegen ein Minus von 14 Prozent gegenüber dem Jahr 2007, weil das Schuldenerlassvolumen drastisch zurückgegangen ist.
In der entwicklungspolitischen Szene geht man davon aus, dass es für das Budgetjahr 2009 keine einschneidenden Kürzungen im Bereich Entwicklungszusammenarbeit geben wird. Keine Rede von substanzieller Erhöhung. Von einem klaren politischen Bekenntnis zur Entwicklungszusammenarbeit ist Österreich weit entfernt. Das ist nicht nur unsolidarisch und inhuman, sondern auch schlechtes Krisenmanagement.